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Heute präsentiert die Redaktion von worldofdeti.de einmalige Dokumente, die der Öffentlichkeit bislang nicht zugänglich waren. Helga, schon so etwas wie eine Co-Autorin, öffnete für diese Zwecke ihre Schatztruhe und heraus kam ein Hammer nach dem anderen. U.a. war mein Heimatkundeheft dabei. Die sensationellen Arbeiten werden mit in die Limmerstraßen Saga einfließen. In dem Moment, als ich die alten, verloren geglaubten Hefte in der Hand hielt, kullerten die Tränen vor Freude, denn es war ja nicht nur das Heimatkundeheft, nein, auch mein erstes Schreibbuch und vieles mehr waren in ihrer Schatztruhe. Danke Mutti.

Doch jetzt zum nächsten Kapitel der Limmerstraßen Saga. Wir sind auf Höhe der Nedderfeldstraße angekommen. Da das Nedderfeld für Linden als Teil des größten Industriedorfes Preussens eine herausragende Bedeutung hatte, widme ich ihm ein ganzes Kapitel. Heute liegt der Schwerpunkt eindeutig in der Geschichte Lindens und weniger in der der Limmerstraße. Aber ich finde, das Nedderfeld und die Limmerstraße gehören zusammen. 

In den meisten Dokumenten wird das Nedderfeld als Gebiet zwischen Limmerstraße und der Ihme bezeichnet. Das ist so nicht ganz richtig, denn wie man den alten Karten entnehmen kann, geht das ehemalige Nedderfeld etwa bis zum heutigen Westschnellweg und damit grenzt der westliche Teil an die Leine.

Flurkarte Hannover web

Die Limmerstraße heißt auf der Karte von 1765 noch Chaussee von Wunstorf, so hieß sie bis 1858. Für die nächsten 3 Jahre war das Nedderfeld dann der Namensgeber für die schönste Straße Hannovers. Erst seit 1861 trägt sie den Namen Limmerstraße.

Die heutige Nedderfeldstraße geht von der Limmerstraße bis zum Gelände der ehemaligen Bettenfabrik Werner und Ehlers. Damit wissen wir schon, was das Nedderfeld im 19. Jahrhundert war, ein Industriegebiet. Wie man der Karte unten entnehmen kann, gab es hier in den 1960-iger Jahren, von der Leinaustraße bis zum Schwarzen Bär, produzierende Industrie. Früher gab es auch Unternehmen außerhalb des dargestellten Bereichs.

Industriegebiet web 

Beide Karten habe ich aus meinem damaligen Heimatatlas. Das rot gekennzeichnete Gebiet (unten) umfasst unseren damaligen Schulbezirk für die Albert-Schweitzer Schule. 

Wir gehen noch einmal zurück zur Leinaustraße, bei der lt. Karte das Industriegebiet beginnt. Die Leinaustraße geht von der Limmerstraße bis zur Leine. Leine, Leinaustraße, da ist die Herleitung des Namens für einfältige Menschen wie mich nicht schwer. Die Leineauen sind der Namensgeber für die Leinaustraße. Die Herleitung des Namens wäre auch insoweit logisch, da die Straße direkt hinter dem Zusammenfluss von Leine und Ihme in den Leineauen endet.

Aber es ist falsch, denn die Straße ist nach der alten Tapetenfabrik Leinau benannt. Die Fabrik wurde vom hannoverschen Kaufmann Georg Schütz 1830 aufgebaut. Im Staat Hannover gab es bis zur Gründung der Fabrik, kaum produzierende Betriebe. Die Hauptstadt war sogar nahezu 100%-ig landwirtschaftlich geprägt. Also gab es zu wenig Facharbeiter, ist ja fast so wie heute, und so verlor Georg Schmidt schnell sein Vermögen und die Fabrik wurde von einer weiteren hannoverschen Persönlichkeit übernommen und rentabel gemacht und das ohne McKinsey oder Berger. Der am 20.06.1799 geborene Friedrich Georg Brackebusch übernahm die Fabrik. Brakebusch war nach damaligen Maßstäben ein Erfolgsmensch. Schon mit 33 Jahren wurde er als Freimaurer in die Johannisloge „Zur Zeder“ aufgenommen. Für die damalige Zeit war er dafür außergewöhnlich jung.

Wenn ihr heute von Linden in den Georgengarten geht, geht ihr durch die Brackebuschstraße und dann über die Dornröschenbrücke. Heute kaum vorstellbar, doch wie mir Co-Autorin Helga verbürgt berichtete, musste man Ende der 1930-iger mit der Fähre über die Ihme fahren, um von Linden in den Georgengarten oder umgekehrt zu kommen. Es gab einen Tarif, die Fahrt kostete 5 Pfennig pro Fahrt und Person. Ob es Zusatzleistungen zu kaufen gab, konnte ich leider nicht mehr recherchieren. Da sich die Airlinerbranche aber noch nicht gefunden hatte, gehe ich nicht davon aus. Die Fähre verkehrte übrigens zwischen Stärkestraße und dem Justus Garten am Zusammenfluss zwischen Ihme und Leine.

IMG 6632 webDoch zurück zur Fabrik in der Leinaustraße 9, wo heute Wohnhäuser stehen. Später beherbergte das Gebäude die Celluloid-Waaren Fabrik. Der letzte produzierende Betrieb, der das Gebäude der ehemaligen Tapetenfabrik übernahm war die  Sauerkraut- und Gurkenfabrik Tuschke. Mein Vater, ein bekennenden Sauerkrautfan, schätzte das Sauerkraut mit dem Goldfasan jahrelang. Tuschke war einer der ersten Fabrikanten, der die Zukunft der Konservendosen erkannte. So setzte er statt auf Sauerkraut- und Gurkenfässer, auf 10 Liter-Konservendosen. Gut, die 10 Liter Dosen waren auch für meinen Vater zu groß, aber Tuschke war damit lange erfolgreich. Ob es weiter eine Sauerkrautproduktion unter der Marke Goldfasan gibt, konnte ich nicht genau herausfinden. 

Der Standort an der Leinaustraße wurde 1970 geschlossen. Bis dahin war es für uns Kinder im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen. Kohlköpfe „klauen“, die von Treckern auf Hängern durch Linden zur Produktionsstätte gebracht wurden, war nicht wirklich schwer und war für uns damals ein Jux. Wir liefen neben dem Wagen her, ein Griff nach oben und schon hatten wir gemeinsam was zu futtern. Nachdem ich heute, am Dienstag den 29.03.2016, mit meinen ehemaligen Schulkameraden Manfred und Thomas über diese Geschichten gesprochen habe, waren wir drei der Meinung, dass der Kohl gar nicht schmeckte. Allerdings hat die Aktion an sich immer wieder Spaß gemacht.   

Aber das Gebäude in der Leinaustraße war nicht das einzige Fabrikgebäude, das hier existierte. Die Lage der Grundstücke direkt an der Ihme bzw. Leine hatte für die Betriebe den Vorteil, dass die Anlieferung der benötigten Materialien bzw. die Auslieferung der fertigen Produkte auf dem Wasserwege möglich war. Das hatte auch Georg Egestorff erkannt, der hier den Ihmehafen betrieb. Auf die Egestorffs gehe ich unten noch näher ein.

IMG 6542 webDer nächste erwähnenswerte Betrieb ist die Bettenfabrik Werner und Ehlers, sie ging im August 1990 Konkurs. Nach der Pleite entbrannte ein heftiger Streit um das Gelände und die dazugehörenden Gebäude. Heute beherbergt das Gelände, das Veranstaltungszentrum Faust. Hier finden Flohmärkte und Festivals statt. Natürlich werden auch viele soziale Leistungen angeboten, die dem Brennpunkt Linden sehr gut tun. Doch bevor es soweit kommen konnte, waren viele Kämpfe notwendig, denn die Eigentümer des Geländes wollten sich noch einmal eine goldene Nase verdienen. U.a. sollte ein 12-stöckiger Wohnklotz mit dem Namen „El Dorado“ entstehen. Aber die Bürgerinitiative FAUST (FAbrikUmnutzung und STadtteilkultur),  die von der evangelischen Kirche und dem Freizeitheim Linden unterstützt wurde, setzte sich letztendlich mit einem soziokulturellen Konzept durch.

Ich selbst bin kein FAUST-Gänger, und höre unterschiedliche Meinungen über die Einrichtung. Mal höre ich von tollen Konzerten und Veranstaltungen, mal aber auch von Randale durch Menschen, die das friedliche, kritische, alternative Leben mit der Mentalität „welche auf die Fresse haben“ verwechseln. Aber letztendlich denke ich, dass die alternative Nutzung des Geländes gelungen und heute ein fester Bestandteil der Lindener Bevölkerung ist. 

Aber es gab noch viel mehr, denn natürlich wurde in Linden auch Gummi verarbeitet und das nicht nur bei der Conti. Die Mittelland-Gummiwerke hatten in der heutigen Stärkestraße ihr Domizil. Sie war neben der Conti und Exelsior die dritte große Gummifabrik in Linden bzw. Hannover. Ende der 1920-iger Jahre geriet das Unternehmen, wie viele andere auch, im Rahmen der Weltwirtschaftskrise in Schwierigkeiten. Die Conti strebte eine Fusion an, was aber von den stolzen Mittelländern abgelehnt wurde, lieber ließ man das Unternehmen liquidieren. Heute steht auf dem Grundstück der ehemaligen Produktionsstätte ein Seniorenheim.

Doch jetzt zu den Egestorffs, der Familie, die das industrielle Linden geprägt hat wie keine zweite. Johann Egestorff, genannt Kalkjohann betrieb im Nedderfeld und anderen Gebieten Lindens erst alleine, dann mit seinem Sohn Georg mehrere Unternehmen. Beide Unternehmer waren in vielen Bereichen aktiv und ich bin mir sicher, dass ich mich mit den Jungs später noch ausführlicher beschäftige.

Leider konnte ich noch nicht genau ermitteln, wo sich seine/ihre 19 Betriebe befanden. Gesichert ist, dass die Basis von Egestorffs Tun, die Kalkbrennerei, am Lindener Berg in der Nähe des Deisterplatzes stand. Georg baute nach dem Tod seines Vaters eine Maschinenfabrik auf, die Keimzelle der späteren Hanomag war. Auch die liegt noch immer in unmittelbarer Nähe des des Deisterplatzes. Auch ist gesichert, dass der Seelzer Johann Egestorff, geboren am 22.10.1772 in Lohnde, die meisten seiner Betriebe in Linden hatte. Von den Betrieben im Nedderfeld kann ich zumindest die Zuckerfabrik als gesichert erwähnen. Auch der oben bereits erwähnte Ihmehafen wurde von Georg Egestorff betrieben. Damit war der Schiffsverkehr bis nach Bremen möglich.

Als ich mich jetzt mit Egestorff beschäftigte, musste ich an meinen Heimatkundeunterricht in den Klassen 3 und 4 denken. Heimatkunde habe ich immer gerne gehabt. Also fragte ich bei Mama nach, ob sie noch altes Material von früher hat, und Helga öffnete ihre Schatztruhe, nachfolgend einige erste noch nie präsentierte Dokumente.

Unsere Heimat web

Das Dokument aus dem Jahr 1965 hat einen aktuellen Bezug

Von der Geschichte der Egestorffs ist bei mir einiges hängen geblieben, die Jungs haben mich beeindruckt. Vielleicht liegt das daran, dass der Kalkjohann und noch stärker sein Sohn Georg, wie Unternehmer agiert haben und nicht wie ein Manager. Obwohl mir und wahrscheinlich dem Großteil der Deutschen in der damaligen Zeit der Begriff Manager nicht geläufig war, habe ich vielleicht geahnt, dass es eine Entwicklung zu überbezahlten Unternehmensmanagern geben wird. Natürlich hatte ich damals noch keine Ahnung von Management und Unternehmern, manch einer wird sagen, da hat sich ja nichts geändert, auch gut. Natürlich war nicht alles gut und menschlich, was die Familie Egestorff gemacht hat, aber für die damalige Zeit waren sie außergewöhnlich sozial und kompetent. Eigenschaften, die manche Manager heute vergeblich bei sich suchen.

Das was ich damals über die Egestorffs geschrieben habe, findet ihr unten. Leider genügte es damals nicht, dass man sich Wissen über die Heimat aneignete und niederschrieb. Um gute Noten zu bekommen musste man die Heimat auch noch zeichnen. Hier reichte mein Talent nicht, wer meine Skizzen am Whiteboard kennt, weiß das. Aber ich wusste wer das kann, nämlich meine Mama. Also nutzte ich ihre Kompetenz, man muss ja nicht alles alleine machen, dafür ist man ein Team. Der wahre Grund war natürlich nicht das fehlende Talent, sondern der Fakt, dass ich die Zeit lieber auf dem Boccer, also Fußballplatz verbrachte, als zu malen. Danke Mutti für Deinen Einsatz, die gute Note war Dein Verdienst. 

 

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Die nachfolgenden Beschreibungen sind in Teilen eine Ergänzungen zu meiner damaligen Fleißarbeit.

Zum Industriegebiet gehörten noch weitere Fabriken, die aber am Rande des Nedderfelds lagen. Da war z.B. die von Adolph Meyer und Abraham Cohen gegründete Mechanische Weberei. Diese Fabrik beschäftigte in der Spitze 1100 Arbeiter, etwa ein Drittel der damaligen Lindener Bevölkerung. Der hier, unter teilweise menschenunwürdigen Bedingungen, hergestellte Lindener Samt, erlangte Weltruhm. Linden hatte seit jeher eine Webertradition, Graf von Platen gründete innerhalb des Dorfes Linden sogar eine eigene Webersiedlung. Die Mechanische Weberei setzte diese Tradition bis ins Jahr der Insolvenz fort. Erst 1961 war das Unternehmen nicht mehr wirtschaftlich zu führen. Die Fabrik lag auf dem Gelände des heutigen Ihmezentrums. Manch alter Lindener und nicht nur die, würde den nicht wirklich schönen Anblick der alten Schornsteine gerne gegen den noch hässlicheren Anblick des zum Großteil leer stehenden Ihmezentrums eintauschen.

Auch die Brauerei Brande und Meyer, später die Lindener Aktienbrauerei, gehörte zu den bedeutenden Arbeitgebern Lindens und lag direkt gegenüber der Mechanischen Weberei, da wo heute kleine Reihenhäuser Familien beherbergen. Das Gerücht, das aus dieser Neubausiedlung besonders viele Einwohner den Beruf des Brauers ausüben, konnte ich bei meinen Recherchen nicht bestätigen. Vielleicht auch besser so, denn Lindener Spezial ist Kult, aber ehrlich, ich ziehe ein Herri vor.

IMG 6539 webEine weitere größere Fabrik ist die Seifenfabrik des Chemikers Julius B. Unger. Sie lag am Ende der heutigen Ungerstraße, die auch von der Limmerstraße abgeht. 1886 wurde die Produktion eingestellt. 2008 geriet das Unternehmen bzw. das Grundstück auf dem es stand noch einmal in die Schlagzeilen. Im Rahmen der Entdeckung radioaktiver Rückstände auf dem De-Haen Platz in der List, wurde festgestellt, dass der Saubermann de-Haen seinen Dreck auch auf dem alten Gelände der Ungerschen Fabrik abgelegt hatte. Heute sind dort ein Kinderspielplatz und eine Kindertagesstätte (Bild). 

Wahrscheinlich war dem Herrn de-Haen die Gefahr seines Handelns damals nicht wirklich bewusst, aber dass es nicht einwandfrei war, sollte selbst dem gewinnorientierten Chemiker bekannt gewesen sein. Letztendlich hat er das getan, was viele Verantwortliche, egal ob in der Politik oder der Wirtschaft heute noch machen: Kurzfristig denken und handeln. Der Unterschied zu heute ist vielleicht der, dass man früher für kurzfristiges Handeln keine langfristige Planung brauchte. Man hat die Sch… einfach abgelegt. Heute hätte man das lange geplant, es dann abgelegt und später festgestellt, dass man nicht an morgen gedacht hat und das Ergebnis ist viel zu oft die gleiche Sch… wie damals. Natürlich würden heute die Verantwortlichen die Medien vor den Karren spannen und dort kund tun: Die Bevölkerung ist zu keinem Zeitpunkt gefährdet, bitte halten sie Fenster und Türen geschlossen". Warum fällt es mir nur so schwer, dass immer zu glauben.

Ich denke, aus meinen Schilderungen wird klar, dass das damals aufstrebende Linden den Bedarf an Arbeitskräften nicht abdecken konnte. So mussten immer mehr Arbeitskräfte von „außerhalb“ angeworben werden. Wie haben die Lindener darauf reagiert? Wichtig dabei zu wissen ist, das damals „außerhalb“ nicht die Menschen aus der Türkei oder aus Syrien gemeint waren, damals waren „außerhalb“ schon Hannoveraner.

Gehen wir zurück ins 12. Jahrhundert. Die ersten Lindener versuchten eine Regionsreform, da sie ein Aha-Erlebnis mit ihrem Müll hatten. Ziel war der Zusammenschluss mit Hannover. Die damals arroganten Hannoveraner lehnten das ab und bauten stattdessen eine Stadtmauer und ließen die Lindener mit ihrem Müll draußen. Seit diesem Tag heißen die Lindener „Butjer“, was so viel heißt wie „von außerhalb“.

Aber auch die Lindener hatten in früher Zeit etwas gegen die Neuen und Fremden. Im Rahmen der ersten großen Zuwandererwelle kamen Weber aus anderen Gebieten in die Weberstraße nach Linden bzw. Ricklingen. Da sich die Zugereisten erdreisteten, aufgrund einer fehlende eigenen Kirche den Gottesdienst in der St. Martin Kirche im Herzen Lindens zu besuchen, kam es während der Gottesdienstes des Öfteren zu Auseinandersetzungen. Protokollarisch vermerkt ist z.B. folgender Vorfall aus der damaligen Zeit: „Jasper Bock, Cordt Bock, Arnd Gastin, Jasper Strues und Hans Lutter haben sich übel bei währenden Gottesdienst bezeiget und die Ricklinger aus Ihren Stellen* gedrungen, und ob zwar der Priester Silentium geboten, solches nicht geachtet = 2 Taler, 28 Groschen Strafe“ (Übernommen aus den Protokollen des Calenberger Amtes und dem sehr empfehlenswerten Buchs „Linden, eine wahnsinnige Geschichte“ von Hans-Jörg Hennecke). * Stellen = jeder Kirchenbesucher hatte einen festen Sitzplatz, auch die Ricklinger.

Doch Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich in Linden was verändert. Die Lindener waren eine Keimzelle der Sozialdemokratie. Damals ging es den Sozialdemokraten noch wirklich um Gerechtigkeit für die breite Masse der Arbeiter. Heute werden die Sozialdemokraten teilweise von Ex-Managern beraten, die an eigenem Herrschaftsdenken kaum zu überbieten sind. Die Unternehmenskapital auch gerne mal privat eingesetzt haben. Diese Typen repräsentierten mit Unternehmensgeldern weniger das Unternehmen, als sie sich selbst präsentierten. Natürlich macht eine Geburtstagsfeier der eigenen Familie in für repräsentative Zwecke angedachte Unternehmensräumen was her, da ist der Papa dann ein Held und natürlich Sozialdemokrat für die eigene Familie.  

Das Leitmotiv der Lindener war damals schon „Integration“. Die angereisten Arbeiter wurden nach dem Motto „wir schaffen das“ aufgenommen und man hatte im Gegensatz zu heute einen Plan, man wollte Wohnraum schaffen.  

Zumindest die Arbeiterbewegung, anfangs auch unterstützt von den Unternehmern, hat sich nicht nach dem heute oft gelebten Motto ausgerichtet, wenn es um Ausländer und Flüchtlinge geht: „meins ist meins und soll auch meins bleiben“. Dabei ist „meins“ gerne mehr, als das was wirklich meins ist. Schade. Als ich das Dokument "In der Heimat ist es schön" (siehe oben), jetzt erstmals wieder gelesen habe, war ich schon ein wenig stolz.

Doch zurück nach Linden ins 19. Jahrhundert. Um die ganzen Menschen unterbringen zu können, brauchte man auch damals dringend Wohnraum und so wurde Mitte des 19. Jahrhunderts die Arbeitersiedlung Linden-Nord vergrößert. Zentrum dieser Vergrößerung war das Dreieck der schon damals existierenden Wege Kötnerholzweg, Fössestraße, Limmerstraße. Eine großzügige Planung durch den Architekten und Stadtplaner Georg Friedrich Ludwig Laves wurde verworfen. Stattdessen wurde eine einfachere Planung umgesetzt, die mehr Wohnraum auf weniger Gebiet ermöglichte. So entstand das heute oftmals romantisch betrachtete Hinterhof-Milieu Lindens, das damals und vielleicht auch noch heute so romantisch war, wie eine Gottesanbeterin nach dem Liebesakt.   

So das war das nächste Kapitel zu Detis großer Limmerstraßen-Saga. Ich muss ehrlich sagen, dass es Spaß macht zu recherchieren und ein wenig mehr aus der eigenen Heimat zu erfahren, bzw. Vergessenes wieder nach vorne zu holen.

Natürlich habe ich nicht alles bis ins letzte Detail beschrieben, auch habe ich nicht alle Firmen aus dem Nedderfeld erwähnt. Ich weiß z.B., dass die Hannoversche Habag, die 1929 von der Hamburger Großbäckerei Harry Brot übernommen wurde, in der Blumenauer Straße, also am heutigen Ihmezentrum ein Werk oder sogar den Hauptsitz hatte. Auch das Unternehmen Braun Backmittel hatte dort nach meiner Erinnerung sein Stammhaus, aber leider habe ich dazu nur meine Erinnerungen und nichts Verwertbares im Netz oder in der mir vorliegenden Literatur gefunden. Wenn ich was finde, werde ich diesen Teil meiner Limmerstraßen Saga entsprechend ergänzen.

Ich habe mir vorgenommen das Thema der Industrialisierung Lindens, zu einem späteren Zeitpunkt aufzugreifen.  Das geht dann auch wieder weit über das Gebiet um die Limmerstraße hinaus und umfasst ganz Linden. Wann dieser Zeitpunkt ist, weiß ich allerdings noch nicht, ihr wisst ja, ich bin viel beschäftigt.