Limmerstraßen-Saga Teil 10 Rund um den Küchengarten (einige Bilder wurde freundlicherweise von Achim Brandau zur Verfügung gestellt). Seine Seite erreicht ihr unter: https://punkt-linden.de/strassen/am_kuechengarten/
Der Abschnitt zwischen Mathildenstraße und Küchengarten wirkt noch südländischer als der Rest der Limmerstraße. Früher gab es hier Bienenkorb, ein Geschäft, dass für uns Jungs von besonderer Bedeutung war, denn hier wurde Spielzeug verkauft, nur leider nicht am Sonntag. Da standen wir dann schmachtend vor der Auslage in den Schaufenstern und Mutti und Papa konnten das hart erarbeitete Geld stecken lassen. Da wo heute Rewe ist, war früher die Kepa, der einzige Laden auf der Limmerstraße, der sich Kaufhaus nennen konnte, für mich als Kind war es die große Welt, im ansonsten durch sympatische Tante Emma Läden geprägten Linden.
Am Küchengarten endet oder beginnt die Limmerstraße, wie man es halt will. Auf jeden Fall war und ist dieser Platz immer was Besonderes, was der schon alles war und gesehen hat, ist erstaunlich. Deshalb möchte mich heute auf den Platz und alles was darum passiert(e) konzentrieren. Heute ist es ein Platz und ich überlasse es jedem selbst zu entscheiden, ob dieser Platz nun Flair hat oder nicht.
Der versoffenen Welfenherzog Christian Ludwig erwarb 1645 die Quirreburg, einem Halbmeierhof mit 30 Morgen Land. Dass ich das Detail mit der Quirreburg bei meiner Recherche gefunden habe, hat mich wirklich gefreut, denn immerhin bin ich in der Quirrestraße groß geworden und wusste bis dato nicht, woher der Name Quirre kommt. Hier werde ich sicherlich noch weiter recherchieren, denn außer diesem einen Hinweis habe ich bislang nichts weiter zur Quirreburg gefunden. Ich habe versucht zu erfahren, was genau ein Halbmeierhof war, so ganz schlau geworden bin ich da leider nicht geworden. In einigen Erklärungen heißt es, dass ein Halbmeierhof halt nur einen halben Hof bzw halben Meier zur Verfügung hat, was auch immer das bedeuten mag, ich weiß es nicht. Wikipedia spricht dagegen von einem leibeigenen Bauern, der in der Hierachie an zweiter Stelle kam.
Doch zurück zum Küchengarten. Ein Morgen war damals zwar schon genormt, für Menschen, die heute streng nach DIN Normen und Regeln arbeiten, wäre die damalige Bemessungsgrundlage wahrscheinlich unzureichend. Im Raum Hannover war ein Morgen ein Landstrich, der mit einem Ochsen- oder Pferdepflug am Vormittag bearbeitet werden konnte. Anscheinend spielte es dabei keine Rolle, ob man einen alten Zossen oder einen Ochsen im blühenden Ochsenalter vor den Pflug spannte. Was nun bei der Bemessung des Küchengartens genau vorgespannt war, kann ich nicht sagen, aber anscheinend hat das Tier damals ungefähr 2600 m² am Vormittag geschafft. Die Angabe über die Größe des Grundstücks sind nicht eindeutig, sie schwanken zwischen 72000 m² und 80000 m².
Die ungefähren Abgrenzungen des damaligen Küchengartens
Christian Ludwig legte hier auf jeden Fall einen Nutzgarten an, aus dem der Hof in Hannover mit Küchenkräutern, Obst, Gemüse und anderem gesunden Zeugs versorgt wurde. Der Garten wurde 1652 eröffnet. Die auf dem Grundstück befindliche Wasserquelle mit dem Namen Dieckborn (Deichquelle) versorgte den Garten mit ausreichend Wasser. Im später eröffneten Dieckborn Eck war das Wasser dann schon gelb gefärbt mit weißem Schaum. Das Dieckborn Eck war zu meiner Jugendzeit legendär, aber auch ein wenig verrufen, heute hat ein Maurermeister dort sein Geschäft. Die Dieckborn Wirtschaft war in Linden/Limmer auch als großer Sponsor tätig (siehe Kommentar Lütscher), hier das Bild zum Megadeal. Megadeal versteht wahrscheinlich nur jemand, der jemals unterwegs war um Sponsorengelder für kleine Vereine zu ergattern. Ein Trikotsatz war schon fast das Höchste.
Die Dieckborn speiste auch mehrere Teiche, die u.a. zur Fischzucht genutzt wurden. Ein Teich hieß Herrenhäuser, da liegt der Gedanke nahe, dass mit dem Wasser dieses Teiches das gute Herri gebraut wurde, aber dieser Gedanke ist falsch, denn das Wasser wurde für die Fontänen des Herrenhäuser Gartens genutzt. Dagegen wurde mit dem Wasser aus dem Ratsteich das Ratskeller gebraut, damals muss die Wasserqualität noch um Längen besser gewesen sein als heute, denn das Bier hatte einen guten Ruf, was heute leider nur noch eingeschränkt der Fall ist.
Nach ca. 100 Jahren wurde aus dem Gemüsegarten ein Lustgarten. Wer jetzt denkt, ok, da wurde halt das junge Gemüse direkt im Garten vernascht, der irrt, denn ein Lustgarten ist ein öffentlicher Park, der damals dem Flanieren und der Erholung diente und nicht was du denkst du verdorbener Mensch.
1844 wurde dann das Belvedere (heute Küchengartenpavillion) gebaut. Doch im Zeitalter der Industrialisierung stand er bald einsam und verlassen da. Zuerst nutzten die Arbeiter das Gebäude als Abstellraum. Als dann irgendjemand 2 Stallhasen im Pavillion abstellte, vermehrten sich diese im noblen Heim recht schnell, also doch ein Lustgarten. Da wurde es den Verantwortlichen dann doch zu peinlich und man überlegte, was mit dem Gebäude geschehen kann. Auch ein Abriss stand zur Diskussion, aber letztendlich entschied man, dass der Pavillion abgetragen und an anderer Stelle wieder aufgebaut wird. 1914 wurde der Pavillion auf den Lindener Berg verlegt, wo er heute noch steht und besichtigt werden kann.
Die Industrialisierung machte aber nicht nur dem Pavillion am Küchengarten überflüssig, nach dem Gemüsegarten, hatte auch der Lustgarten ausgedient und auf dem Areal wurde ein Güterbahnhof gebaut. Der schlug bald mehr als der große Nachbar in Hannover um. Ideengeber und Erbauer des Sackbahnhofs war mal wieder unser Freund Georg Egestorff (siehe Limmerstraßen Saga Teil 7). Es machte ja auch Sinn, dass die vielen produzierenden Fabriken neben dem Ihmehafen auch einen Gleisanschluss bekamen.
Der Teil des Gartens, der vom Güterbahnhof nicht genutzt wurde, wurde dann mit Wohnhäusern rund um den heutigen Lichtenbergplatz bebaut. Wer heute durch die Straßen geht, sieht dort noch sehr schöne Mehrfamilienhäuser.
Der Stückgutverkehr und die Wagonbeladungen wurden ca. 1930 eingestellt, da in Seelze der Hauptgüterbahnhof entstand und der den Güterbahnhof am Küchengarten überflüssig machte. Zwar fuhren noch bis 1964 Dampflokomotiven durch Linden und sogar bis 1990 wurde das Heizkraftwerk, Lindens Wahrzeichen die „drei warmen Brüder“, mit Kohle beliefert. Das war dann auch nicht mehr notwendig und so wurden auch diese Fahrten eingestellt. Die letzten Schienen, sie verlaufen zwischen Rampen- und Fössestraße sind heute noch zu sehen bzw. zu erahnen. Längst hat sich die Natur geholt, was der Natur gehört, wie man beim Blick von der Brücke der Nieschlagstraße erkennen kann.
1927 wurde dann das Gebäude des heutigen TAK´s (Theater am Küchengarten) gebaut, allerdings nicht als Theater, sondern als Bäderhaus, denn längst nicht alle, nein, die wenigsten Lindener Bürger verfügten über ein eigenes Bad. Also diente das Bäderhaus der im Schnitt wöchentlichen Ganzkörperreinigung. Erst 1983 wurde das Bäderhaus geschlossen, weil der Bedarf nicht mehr gegeben war. 1987 zog dann das TAK von Dietrich Kittner in die Räumlichkeiten.
Als nach dem 2. Weltkrieg der Autoverkehr zunahm, wurde der Platz durch einen großen Kreisel ersetzt, über den neben dem Autoverkehr auch der Straßenbahn- und Zugverkehr geleitet wurde. Das sind auch gleichzeitig meine ersten Erinnerungen an den Küchengarten, dieser riesige Kreisel und die Esso-Tankstelle in der Fössestraße. Hier haben wir Kinder den Tiger im Tank bewundert, die legendäre Esso Werbung, die seit 1965 in Deutschland lief. International gab den Tiger von Esso allerdings schon seit den 20-iger Jahren. Hier ein Link für einen alten Werbefilm von Esso. Viel Spaß. https://www.youtube.com/watch?v=-pMCoMkm34k
Von 1971 an, wurde das Ihmezentrum gebaut, aus meiner Sicht der Schandfleck schlechthin in ganz Hannover. Zwar ist das benachbarte Heizkraftwerk auch nicht wirklich schön, aber die drei Türme, im Volksmund die „drei warmen Brüder“ genannt, haben Kultstatus erlangt. Das Ihmezentrum ist nach meiner Wahrnehmung nur bei den Wohnungseigentümern beliebt, was sicherlich mit dem großartigen Weitblick zu tun hat, den man hier hat.
Um ins Ihmezentrum zu gelangen, wurde der Platz mit einer Fußgängerbrücke überspannt, die gleich mehrere „Finger“ hatte. Nur über die Tiefgarage und über diese Brücke konnte man von Linden Nord ins Ihmezentrum gelangen. Einen ebenerdigen Einstieg gab und gibt es bis heute nicht. Viele halten das für einen entscheidenden Planungsfehler, da dadurch die Laufkundschaft, anders als in der Limmerstraße einen erschwerten Zugang zu den Geschäften hatte. Der zweite große Fehler des Projekts war, dass man keine Öffnung zur Ihme vorgesehen hat, eine solche Öffnung hätte dem brutalen Betonklotz noch etwas Schönes gegeben. Heute geben sich windige Investoren die Klinke in die Hand, aber es passiert nichts, so ist das Ihmezentrum bei den allermeisten Lindener einfach nur eine hässliche, peinliche Bausünde. Andere Quellen schreiben, dass sich die Lindener längst an die Fassade gewöhnt haben, wenn man Resignation mit Akzeptanz gleichsetzt, kann das stimmen, aber auch nur dann.
Im Jahre 2008 wurde dann die verzweigte Fußgängerbrücke abgerissen und der Platz bekam sein heutiges Aussehen. An die Brücke erinnert nur noch ein kleiner, 4 Meter hoher Hügel am Ende der Limmerstraße links, wenn man stadteinwärts geht. Auf diesen Hügel, für Hannover schon fast ein Gebirge, führt heute ein kurzer Weg auf den Gipfel, auf dem man mit dem Rücken zum Ihmezentrum schön das Geschehen unten in der Ebene beobachten kann.
Ihmezentrum mit Aussichtshügel
Neben dem TAK hat der Platz aber noch ein Highlight zu bieten. Das 11a, angesiedelt in einem kleinen Pavillion in der Rampenstraße, ist ein Restauranttipp, der sich lohnt. Obwohl ich selbst noch nicht da war, höre ich nur Gutes über das Essen das Preis- Leistungsverhältnis, deshalb erwähne ich es hier. Allerdings sollte man auch wissen, dass sich das Konzept nicht darauf ausrichtet ist, lange, wenig Umsatz generierende Klönabende zu veranstalten, sondern darauf, gemütlich sein Essen zu sich zu nehmen, dann aber Platz zu machen für die nächsten Gäste, die Vorraum schon auf „Deinen“ Tisch warten. Das Konzept wird über die Homepage des Restaurants gut erklärt, der Wirt redet von Cappuccino Tussen, keine schlechte Bezeichnung für Kunden die nicht gewollt sind, hier der Link.
So, dass ist nun das Ende der Limmerstraßen-Saga. Rückblickend kann ich nur sagen, mir hat es viel Spaß gemacht diese Serie aufzusetzen. Einen solchen Umfang hatte ich allerdings nie geplant und es war aufwendiger, als ich gedacht hatte. Aber für mich hat es sich gelohnt, denn ich habe zum einen viel über die Limmerstraße und das drum herum gelernt. Ich hoffe, es hat sich auch für euch gelohnt und ihr hattet euren Spaß. Von einigen habe ich ja auch ein positives Feedback bekommen,danke dafür, es hat mich sehr gefreut. Zuletzt natürlich noch die Helden der Limmerstraße, die Gruppe ist ja auch ein Ergebis der Limmerstraßen-Saga. Ich kann nur sagen, der für uns 4 eingerichtete Chat ist Unterhaltung pur, dass macht fast täglich Spaß. Der zweite und dritte Teil des Gastrotests wird kommen, vermutlich aber erst Ende Oktober, denn die 3 Jungs müssen ja noch zur Arbeit gehen, also brauchen wir einen Freitag und die sind oft schon voll. Der Freitag, nicht wir.
Wie geht es jetzt mit meiner Seite weiter? Zuerst einmal fahren wir im September nach Straßburg und in die Pfalz. Von da werde ich berichten. Wahrscheinlich nicht im täglichen Blog, aber es wird auf jeden Fall Zusammenfassungen des Erlebten geben, ähnlich wie letzten Monat von der Ostsee und vom Fleesensee.
Dann habe ich mir vorgenommen, die Seite neu zu gestalten, ich hoffe, ich habe in der dunklen Jahreszeit dafür genug Zeit.
Inhaltlich wird Linden auf jeden Fall weiter ein Schwerpunkt bleiben, soll heißen, die Limmerstraßen-Saga wird zu einer Linden-Saga. Ich hoffe, dass ich im Oktober damit anfangen kann. Bis dahin wird es neben dem Reisebericht, vielleicht den einen oder anderen bissigen Kommentar geben, vielleicht aber auch ein Fazit unter dem Titel „Deti, ein Jahr als Müßiggänger“.
Vielen Dank für eurer Interesse