Endlich geht es weiter, nach der Unterbrechung durch den Liveauftritt der Helden der Limmerstraße, bei der die aktuelle Situation der Gastronomie auf der Limmerstraße unter die Lupe genommen wurde, sowie unserem Urlaubsblog, folgt heute Teil 8 der Limmerstraßen-Saga. Wie immer ist es ein Gemisch aus aktueller Bestandsaufnahme, historischen Ereignissen und selbst Erlebten.
Wir waren bis zur Nedderfeldstraße gekommen und haben dort einen Schwenk in die Vergangenheit gemacht. Der jetzt folgende Teil der Limmerstraße spielte in meinem, in unserem Leben mehrfach eine große Rolle.
Zuerst einmal gehe ich in die Nedderfeldstraße. Im Eckhaus, da wo früher Herr und Frau Blume Obst und Gemüse verkauft haben, ist heute ein Friseur ansässig, der seinen Kunden eine durch den Fensterrahmen gesteuerte Klimaanlage bietet (siehe Foto).
Das Haus steht für den schönen, kultigen Teil der Limmerstraße, aber auch für den heruntergekommenen. Wenn ich mir die verfaulte Klimaanlage beim Friseur ansehe, ist es natürlich schlecht, wie der Hausbesitzer, das Haus verkommen lässt. Auf der anderen Seite ist das Haus voll mit den für mich schönsten Graffitis der Limmerstraße. Die reinen Romantiker sagen, ja, das gehört zu unserem Viertel dazu, genau das macht den Charme Lindens und der Limmerstraße aus. Ist ja richtig und ehemaligen Arbeiterviertel hat Schickimicki nichts verloren, aber man darf die Häuser nicht verloddern lassen, denn dann ist es nicht mehr anziehend.
Schon ein Haus weiter, sieht die Welt auch anders aus. Das Haus ist auch alt, aber gepflegt. Früher hat hier mein alter Schulkamerad Manfred (Manne) gewohnt. Seinem Vater, ein alter Fußballer von Linden 07 gehörte damals schon das Haus, das Möbelgeschäft im Erdgeschoss und die Tischlerei im Hinterhof, davon erzähle ich gleich etwas, aber zuerst zu unseren Vätern. Mannes Vater war hannoverschen Fussballern seiner Zeit unter dem Namen Laschko bekannt.
Erst im Rahmen dieser Recherche hat mir mein Vater erzählt, dass unsere Väter früher, als sie noch voll im Saft standen, gegeneinander Fußball gespielt haben. Das war für Manfred, wie auch für mich neu. Mannes Vater, den ich nur als echten Linden 07-er kenne, spielte in den 50-iger Jahren noch für Vorwärts Linden, wenn es in dieser Zeit also hieß Vorwärts gegen Alexandria, trafen die beiden Vollblutstürmer mit großem Kämpferherz aufeinander. Während der eine als rollende Lokomotive Abwehrreihen einfach hinter sich ließ, war der andere der schlitzohrige Vollstrecker. Wenn mein Vater getroffen hatte, war das Publikum begeistert und schrie voller Euphorie, der Reißer wars, er hat wieder getroffen. Ich glaube Manne geht es wie mir, gerne hätten wir ein Spiel der beiden sportlichen Kontrahenten gesehen.
Der Reißer als Mannschaftsführer
Der Reißer als Vollstrecker
Nachfolgend habe ich aus unterschiedlichen Quellen einige Informationen zu den Sportvereinen zusammengetragen. Überwiegend habe ich die Informationen aus Büchern und anderen schriftlichen Ergüssen von Torsten Bachmann.
Linden 07
Die goldenen Zeiten für Linden 07 liegen schon viele Jahre zurück, 1923 schaffte man sogar den Sprung in die höchste deutsche Liga, dieses Jahr erfolgte der Abstieg in die 1. Kreisklasse, aus der man erst letztes Jahr aufgestiegen war. Auch in den 70-igern und 80-igern war der Herrenbereich noch sehr erfolgreich, aber dann erfolgte der Abstieg in Raten. Man hatte, wie so oft in den Vereinen, die Jugendarbeit vernachlässigt. Das hat sich heute verändert, wenn man heute zur Sportstätte auf den Lindener Berg fährt, dann sieht und hört man vor allem Kindergeschrei.
Als der Verein gegründet wurde, hatten die Verantwortlichen keine Sportstätte gefunden und so musste eine Kuhweide in Oberricklingen als Spiel- und Übungsplatz diesen. Das war natürlich nicht unproblematisch, musste doch erst das Vieh von der Weide sein, bevor man dem Publikum die filigranen Tricks zeigen konnte. Auch Torpfosten mussten zu jeder Einheit aus Linden mitgebracht werden, ein mühsames Unterfangen.
Die nächste Bleibe war dann auf dem Waterlooplatz, bevor man 1919 die Sportstätten an der Fösse bezog. Das war schon ein Riesenschritt, obwohl der Sportplatz im Frühjahr regelmäßig überschwemmt war. Ob aus dieser Zeit die Gründung der Wasserballsparte Linden 07 kommt, konnte ich leider nicht genau recherchieren. Ich war in den 70-igern auf jeden Fall einige Male beim Training der Wasserballer und kann von daher sagen, hart, härter, am härtesten. Wasserballer sind Tiere.
Erst 1958 zog der Verein dann auf den Lindener Berg. Nicht nur ich habe hier viele Stunden meiner Jugend verbracht.
Alexandria Hannover (Quelle Homepage Alexandria Hannover)
Auch dieser Verein wurde von Arbeitern gegründet, auch dieser Verein wurde in einer Kneipe gegründet. Am 29. Oktober 1903 (einige Quellen sagen auch am 06.10.1903) saßen 7 Mitarbeiter der Hanomag, wohnhaft in Linden-Süd, damals Klein Rumänien genannt, in der Gaststätte Zloch zusammen und wollten einen Verein gründen. Gestört wurden sie dabei von alkoholisierten Matrosen, die von der Stadt Alexandria schwärmten, daher der Name des Vereins.
Wie viele andere Vereine auch, hatte der Verein jahrelang keine wirkliche Heimstätte, und so spielte man auf teilweise abenteuerlichem Untergrund. Jahrelang war auch der Schützenplatz die Spielstätte des Vereins. Erst Anfang der 70-iger Jahre konnte die heutige Sportstätte, direkt an der Grenze nach Ricklingen bezogen werden.
Den sportlich größten Erfolg feierte der Verein 1920 und 1922 die Deutsche Meisterschaft im Rugby gegen Viktoria Linden gewann. In der Nazizeit wurde der Verein ebenfalls verboten und erst am 29. August 1950 wurde der Verein von August Düvel wiederbelebt, mit dabei „Kalle Hantke“, der als Reißer in die Annalen des Vereins eingehen sollte. Das folgende Bild habe ich mir von der Homepage des LSV Alexandria „ausgeliehen“, wenn ich mich nicht täusche, ist der 4 von links der Reißer persönlich, beim warmlaufen mit seiner Truppe.
Warmlaufen der 1. Herren von Alex (vielleicht laufen sie auch zu ihrem Sportplatz, der immer woanders war)
Volkssportverein Vorwärts Linden
Diesen Verein gibt es heute nicht mehr, er fusionierte 1965 mit der SG Hannover 74, ein Verein der seine Heimat in der Graft, nahe den Herrenhäuser Gärten hat. Der Verein hatte eine bewegte Geschichte, denn schon die Gründung war illegal, da das damals geltende Sozialisten Gesetz den Arbeitern organisierte Aktivitäten verbot.
Also schlichen die Gründungsmitglieder getrennt zur Gastwirtschaft „Zur neuen Welt“ und gründeten im Hinterzimmer den Arbeiterverein „Turn-Klub Vorwärts Linden“. Dieses Hinterzimmer war nicht nur die geheime Versammlungsstelle, es war auch der Übungsraum der Turner. Die benötigten Gerätschaften stellte der Wirt zur Verfügung, der als Ausgleich eine entsprechende Marge in den Bierpreis einfließen ließ. Da die Turner stets durstig waren, lohnte sich das Geschäft für den Wirt.
Auch nach Abschaffung des Sozialisten Gesetzes im Jahr 1890, hatte der Verein mit den Behörden zu kämpfen, die hier noch immer eine Verschwörung der Arbeiterschaft vermuteten. Letztendlich führten diese Hindernisse zur ersten Auflösung des Vereins im Jahr 1898. Doch noch im gleichen Jahr wurde der ATVL, der Arbeiter-Turn-Verein Linden gegründet. Schnell wuchs der Verein, der schon im Jahr 1903 der größte Turnverein Lindens war.
Die nächsten Jahre sollten die erfolgreichsten Jahre des Vereins werden, der in den 20-igern fast 1000 Mitglieder zählte. Die Teilnahme einiger Sportler des Vereins an der Arbeiter Olympiade im Jahr 1925, war sicherlich der Höhepunkt in der Geschichte des ATVL. Fast wie es heute noch üblich ist, mussten die Sportler für die Kosten der Teilnahme selbstaufkommen. Gut es gibt einen kleinen Unterschied, heute bekommt ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft 300.000 € für den Titelgewinn bei der Europameisterschaft, aber wie gesagt der Unterschied ist nur marginal.
Dann kamen die Nazis und verboten den Verein erneut. Als man nach Kriegsende den Verein neu aufleben lassen wollte, den Jungs von der großen Insel Brexit war das Wort „Arbeiter“ zu politisch, also griffen die neuen Gründer wieder auf den bewährten Namen Vorwärts zurück und gründeten am 15. Januar 1946 den Volksverein Vorwärts Linden.
Doch jetzt zurück zur Tischlerei, die heute noch in Betrieb ist. Manfred war so freundlich und hat mir die Türen zur Besichtigung geöffnet.
Ach war das schön, sofort kamen alte Jugenderinnerungen hoch. Heute wird in beiden Etagen des Anbaus gearbeitet, damals diente die zweite Etage aber nur als Abstellraum, den wir Jugendlichen dann als Treffpunkt umfunktioniert hatten. So haben wir hier manche Fete gefeiert, gekrökelt oder uns im darten versucht. Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht mehr, wer alles zu der Clique gehörte. Ich denke, wir waren auch oft in unterschiedlichen Besetzungen bei Manfred. Auf jeden Fall waren auch Mädels dabei und so wurde auch nach den 3 Platten die wir hatten geschwoft.
Als ich jetzt in den Räumlichkeiten war, fühlte ich mich zurückversetzt in die Zeit „Mädchen die unbekannten Wesen“. Gut, heute kenne ich die Geschichten „Frauen die unbekannten und unberechenbaren Wesen“, aber ich glaube damals gingen meine Gedanken in eine andere Richtung. Manch schöne Stunde haben wir hier oben verbracht.
Wenn uns die drei Platten zu langweilig wurden, zog es uns weiter auf die Limmerstraße, in Birgits Bierbar. Diese Bar befand sich gegenüber vom Freizeitheim in einem Wohnhaus. Wenn man das dunkle Etablissement betreten hat, trat man in eine andere, damals gänzlich neue Welt ein. Es war zwar eine ganz normale Bar, aber für mich war es irgendwie anders, es roch nach Zigaretten, Alkohol und Erotik und war doch war alles so harmlos. Trotz aller Harmlosigkeit hätte ich das Gefühlte von damals gerne gespeichert, es war so neu, so aufregend. Birgits Bierbar gibt es schon lange nicht mehr, heute ist dort eine Wohnung.
Hier war einmal Birgits Bierbar, von der damaligen Atmosphäre ist nichts übrig geblieben
Manfred war so freundlich und hat mich in der Werkstatt Fotos machen lassen, die ich gerne veröffentliche, zwar hat sich hier doch alles verändert und aus einer Butze ist eine kleine Werkhalle geworden, aber zumindest Leute die dabei waren, haben vielleicht genügend Fantasie, um zu erahnen, wie wir Heranwachsende uns dort gefühlt haben. Aber auch die anderen können es sich vielleicht vorstellen, denn durchgemacht haben alle diese schöne Phase des Lebens. Ob unsere Eltern diese Phase damals auch als schön bezeichnet haben, wage ich zu bezweifeln. Heute allerdings, Jahrzehnte später, ist der mütterliche und väterliche Blick auf die Zeit sicherlich vernebelt und sie bezeichnen auch diese Zeit mit ihren Kindern als eine schöne Zeit.
Damals sah es in der 2. Etage noch anders aus
Rechts von der Limmerstraße geht die Grotestraße ab, eigentlich eine Straße ohne jede Bedeutung, wenn da nicht das kleine Museum an der Ecke zur Ahlemerstraße wäre. Ich war zwar nicht oft in dieser Kneipe, heute Restaurant, aber das kleine Museum gehört zu Linden, wie nur wenige andere gastronomische Betriebe. Den diese Kneipe hat eine Geschichte, es ist die Geschichte von Rudi Reese (geiler Name), der diese Trinkstätte vor über 50 Jahren eröffnet hat. Rudi unternahm mehrere Weltreisen und brachte sich außergewöhnliche Souvenirs mit, die dann in der Deko der Räumlichkeiten in der Grotestraße 10 verarbeitet wurden. So hängen noch heute zwei lebensgroße Krokodile an der Decke.
Aber das sind nicht die einzigen sehenswerten Utensilien. Am besten ihr stattet Rudis Nachfolger, der heute auch die französische Küche anbietet, einen Besuch ab und erfreut Euch an den Sammlerstücken. Im Sommer kann man auch gemütlich draußen seinen Gerstensaft (Herri) genießen. Das kleine Museum wird von den Helden der Limmerstraße übrigens auch im großen Gastrotest Teil 2 getestet. Anonym werden die vier Tester im August ihr aktuelles Urteil über die Getränkequalität fällen. Leider mussten wir den Test in den August schieben, da der vorgesehene Termin geplatzt ist, da ein Teil der Truppe für den 08.07., das war der ursprünglich angesetzte Termin, einen Auftrag erhalten hat, die Getränkequalität auf dem hannoverschen Schützenfest zu testen. Auch dazu wird es dann einen Bericht geben.
Zurück zur Limmerstraße. Auf der linken Seite war ein Laden, der unterschiedliche Fortbewegungsmittel angeboten hat (Fahrräder, Roller …), aber er hatte auch Spielzeug im Angebot. Ich glaube er hieß Schertel oder so ähnlich, meine liebe Oma sagte immer wir gehen zu Johnny. Hier haben wir manch Schuco Auto gekauft, welche sich leider nicht mehr in unserm Besitz befinden, denn die Dinger haben heute eine echte Wertsteigerung erfahren.
Daneben war die Nordsee, die irgendwann dicht gemacht hat. Wahrscheinlich war der kleine Fisch Hampe (siehe Limmerstraße Teil 5) zu gut für die große Kette, hier hat David gegen Goliath gesiegt. In den Räumlichkeiten der Nordsee zog die Eisdiele Da Beppo ein, die noch heute leckeres Eis macht. Die produzieren so viel, dass sie es sogar verkaufen. Meine Empfehlung, diese Eisdiele solltet ihr testen.
Aber nicht nur diese Eisdiele ist einen Besuch wert, auch die Eisdiele Da Lozzo, Limmerstraße Ecke Pestalozzistraße, ist einen Besuch wert. Hier ist nicht nur das Eis gut, auch die überaus freundliche, aufgeschlossene Inhaberin macht Lust auf einen Besuch. Nein, nicht was jetzt der eine oder andere wieder denkt, es geht mir nur um das freundliche Wesen.
Aber zurück zur Eisdiele Da Beppo, in der Gaby manch Portion mit ihrem damaligen Chef vertilgt hat. Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, in der Limmerstraße 33 saß er, mein Quälix, Gabys langjähriger Chef Egon Schölzel, leidenschaftlicher Zahnarzt.
Herr Schölzel war penibel und genau, wenn er eine Karies gesichtet hatte, musste sie vollständig vernichtet werden, Gott, habe ich gelitten. Noch heute höre ich die Geräusche des alten Bohrers, der selbst das Klingeln der unten auf der Limmerstraße vorbeifahrenden Straßenbahn übertönte. Ein Trost war immer nur Gaby, die mir in diesen schweren Zeiten beiseite stand und meine Hand hielt. Aber Herr Schölzel lieferte Qualität, noch heute habe ich einige Füllungen aus dieser Zeit. Echte Wertarbeit, wenn sie auch oftmals schmerzhaft war.
Gaby hat dort 18 Jahre lang gearbeitet, ist in jeder Mittagspause mit dem Bus nach Hause gefahren und hat viele, nein, sehr viele Stunden auf der Limmerstraße, aber auch im Bus verbracht.
Direkt neben dem Quälix-Haus war früher die Schauburg, das zweite große Kino auf der Limmerstraße. In der Schauburg waren wir nicht so oft wie im Apollo. Das Kino war feiner, hatte gepolsterte Sitze, etwas was im Apollo gar nicht vorstellbar war. Auch gab es hier kein Pfeifkonzert und es flogen auch keine Papierbällchen quer durch das Kino, wenn das Licht ausging, alles ging in der Schauburg gesitteter zu. Wahrscheinlich war das auch der Grund warum das Apollo, die Flohkiste, unser Kino war. Während sich das Apollo durch die schweren Zeiten mit den Schulmädchen Reports 1 bis 4330 schleppte, machte die Schauburg 1967 dicht. Zu fein für Linden?
In die Räumlichkeiten zog dann Möbel Sonnemann ein, der spätere Sponsor meiner Ahlemer Handballer. Sonnemann eröffnete hier sein zweites Geschäft. Heute ist dort ein 1 € Laden beheimatet, wie sich die Zeiten ändern.
Die 1. Herren des SV Ahlem. Ende der 80-iger, Anfang der 90-iger Jahre mit Werbung für Möbel Sonnemann
Jochen Deutsch, Norbert Wengler, Jupp (Jörg Beckmann, Peter Wengler, Heiko Mikolei, Rainer Carstens, Klaus Judy
Christoph Esser, Matthias Fuchs, Ralf Bringer, Deti, Michael Valentin, Jörg Mikolei
Wenn es hoch kommt, waren das 100 Meter auf Limmerstraße. Ich finde es schon erstaunlich, was man auf 100 Meter erleben kann. Ich hoffe, ihr hattet auch an diesem Teil euren Spaß.