Noch immer stehe ich an der Kreuzung Velber- und Leinaustraße. Die Velberstraße habe ich ja bereits im Teil 4 meiner Erzählungen näher beschrieben. Die Leinaustraße ist die Verlängerung der Velberstraße und geht links von der Limmerstraße ab in Richtung Leine. Im Teil 6, den ich in der nächsten Woche veröffentlichen werde, gehen wir dann die Leinaustraße runter ins Nedderfeld und damit in eines der bedeutendsten Industriegebiete im alten Dorf Linden.
In diesem Kapitel bleiben wir auf der Limmerstraße und schauen mal, was so zwischen Velber- und Grotestraße, sowie Leinau- und Nedderfeldstraße los ist. Ursprünglich dachte ich nicht, dass dieser Abschnitt für ein eigenes Kapitel was hergibt, aber man lernt ja nie aus.
Auf beiden Seiten stehen schöne, alte, restaurierte Mehrfamilienhäuser. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dort sehr schöne Wohnungen gibt. An der linken Straßenseite liegen mehrere Geschäfte. Es gibt einen Klamottengeschäft, eine der unzähligen Fressbuden, diesmal mit dem einprägsamen Namen Linden Burger, einen 1 €-Laden, einen Allerweltladen und der Alteingesessene Foto Julian. Interessant sieht die Vinoteca Francesca Fratelli aus, sollte man mal ausprobieren.
Schöner finde ich die rechte Seite, stadteinwärts gehend. Hier beginnt der Abschnitt der Limmerstraße, der nicht nur Multi-Kulti ist, sondern Multi-Kulti². Die Obstläden, mit Auslagen auf der Straße erinnern eher an einen Markt im Süden des Kontinents, als an eine Fußgängerzone mit viel Verkehr mitten in Hannover. Übrigens glaube ich, dass heute in der Fußgängerzone mehr Verkehr ist, als in den 60-igern, als die Straße noch für den gesamten Verkehr offen war. Die typisch deutschen Gebäude, die südländischen Läden, die Menschen aus aller Herren Länder, ja, hier lang zu spazieren und mit den Kaufleuten und Passanten ins Gespräch zu kommen, ist schon etwas Besonderes.
Dieser ganzen Vielfalt auf der Limmerstraße setzt das 2004 eröffnete Buchdruckermuseum die Krone auf. Alles erwartet man hier, aber sicherlich kein Museum. Ja, das ist mein Linden.
Um ehrlich zu sein, mir war bis zu meinem Spaziergang über die Limmerstraße nicht bekannt, dass es hier ein Museum gibt. Ein kleines Schild neben dem ehemaligen Schmuck- und Uhrengeschäft Piepho, wo heute ein Schreibwarengeschäft mit Lottoannahme residiert, macht auf das Museum im Hinterhof aufmerksam.
Gespannt machten Gaby und ich uns am 30.03.16 auf den Weg zur Limmerstraße und besuchten das Museum. Hier die Kurzform des Besuchs: Es war einfach nur schön, informativ und wir haben für ihre Sache sehr engagierte Menschen getroffen. Hier menschelt es. Da es aber so toll war, möchte ich es nicht bei der Kurzform belassen.
Dass es ein kleines Museum ist, erkennt man schon daran, dass das hässliche, Metalltor zum Hinterhof verschlossen ist. Um sich Zutritt zu verschaffen, musst Du klingeln. Und dann, dann stehst Du in einem Hinterhof und zwar in einem der schönsten, den ich in Linden gesehen habe.
Weiter geht es in die Räumlichkeiten des Museums, aber Vorsicht, Kopf einziehen. Ein netter Herr mit grauen Haaren und auffälligem Bart empfängt uns. Ohne die 6,-€ Eintritt zu verlangen schickt er uns die Treppe hoch, dort findet gerade eine Führung statt, der könnten wir uns ja anschließen. Gesagt getan. Oben wird gerade ein Termin mit Lehrerinnen aus Rodewald vereinbart. Eine oder mehrere Schulklassen sollen demnächst hier eine Führung und einen Vortrag über die Schwarze Kunst bekommen. Ob der Besuch der Lehrerinnen etwas mit dem bevorstehenden Umzug von Hannovers größter Druckerei Madsack nach Rodewald zu tun hat weiß ich nicht, aber die Vermutung liegt nahe.
Die Mädels sind auch gerade fertig und so übernimmt uns Christel W. Kölling. Der alte, sehr sympathische Haudegen hat 70 aktive Berufsjahre als Drucker auf dem Buckel und ist 2013 in den Unruhestand getreten. U.a. war Christel K. 13 Jahre für den Druck der Titelseite des Spiegels verantwortlich.
Mit strahlenden Augen erklärt er uns den Unterschied zwischen Buchdruck Handsatz, Buchdruck Maschinensatz und Offsetdruck. Klar hatten wir auch schon was davon gehört, aber die Details die wir bei diesem Rundgang hören und sahen waren sehr interessant. Hatte ich mir vorher je darüber Gedanken gemacht, wie viel Raum eine Druckerei benötigt hat, die im Buchdruckverfahren gearbeitet hat? Nein, natürlich nicht. Die Jungs vom Museum zeigten uns mal Ihren Vorrat an Buchstaben in unterschiedlichen Schrifttypen und Größen. Ihr hättet die Augen der Jungs sehen sollen als sie uns besondere Schrifttypen zeigten, ich sah einfach nur ehrlichen Stolz. Wenn man bedenkt, dass eine Druckerei nicht nur Karten oder Einladungen gedruckt hat, sondern Zeitungen und Plakate, kann man sich vielleicht ansatzweise vorstellen, wie viele Buchstaben eine Druckerei vorliegen haben muss und wie viel Platz alleine diese Ablage benötigt.
Vielleicht macht es die eine oder andere Geschichte noch deutlicher. Der gute Gutenberg, seinerzeit Goldschmied und Erfinder des Buchdrucks hat, bevor er anfangen konnte seine Druckidee wirklich professionell einzusetzen, ca. 3 Jahre Buchstaben gemacht.
Ja, der gute Johannes, ob er geahnt hat, wie er die Menschheit mit seiner Erfindung verändert hat? Ob er geahnt hat wie er mit seiner Maschine die Welt geöffnet hat, transparenter gemacht hat, Bildung ermöglicht hat und vieles, vieles Positives mehr. Ohne den Buchdruck würde die Welt komplett anders aussehen, ich glaube zwar nicht, dass wir noch in der Ritterrüstung zu Pferde unterwegs wären, aber soweit wie wir heute sind, wären wir nicht. Aber hat er auch geahnt, wie er die Menschheit in die Welt der Lügen getrieben hat? Denn die offene Welt der Kommunikation ermöglicht es die Menschen zu manipulieren. Das machen nicht nur schlechte Journalisten, sondern auch Politiker, Manager und natürlich auch der einfache Bürger. Gutenberg hat die Kommunikation auf andere Füße gestellt und jeder, der jemals etwas kommunizieren musste, weiß, es gibt kaum etwas was schwerer und missverständlicher ist als Kommunikation. Aber das konnte Johannes Gutenberg nicht im Ansatz ahnen, er hat einfach nur etwas Grandioses geschaffen, deshalb ist er auch überall in den Räumen präsent.
Aber nicht nur Bilder von Gutenberg sind hier zu sehen, ein kleiner Nachbau seiner Technik ist genauso zu sehen, wie große Druckmaschinen aus unterschiedlichen Zeiten, wovon viele (alle?) noch im Betrieb sind.
Eine andere interessante Information ist, dass ein Setzer früher, für das Setzen einer Seite der HAZ, etwa 6 bis 7 Stunden gebraucht hat. Wenn der Chefredakteur kurz vor Beendigung der Arbeit ankam und kurzfristig eine Änderung der Titelgeschichte verlangte, hat er bestimmt den einen oder anderen Setzkasten hinterhergeschmissen bekommen. In diesen Setzkästen lagen die Letter und wie die Tasten bei einer Schreibmaschine lagen sie alle immer an der gleichen Stelle. Wehe wenn sich die Letter einer anderen Schriftart in einen fremden Setzkasten verirrt hatte, dann hatte man einen Zwiebelfisch. Ein Letter im falschen Fach, aber richtigen Setzkasten dagegen ist ein einfacher Fisch.
Auch schön ist die Erzählung von Christel K. über einen bekannten hannoverschen Schlachter mit Sitz am Deisterplatz. Der Chef persönlich kam in die Druckerei bei der Christel K. zu der Zeit beschäftigt war. Er brauchte einen Setzkasten, den die Druckerei aufgrund der Umstellung von Buch- auf Offsetdruck nicht mehr benötigte. Als Christel K. nachfragte, wofür er denn als Schlachter einen Setzkasten benötigt, bekam er zur Antwort: „Für meine Schweine“. „Für Ihre Schweine“? Ja, der Herr Wurstfabrikant sammelte kleine Schweine aus allen denkbaren Materialien und brauchte den oder die Setzkästen, damit er seine Schweine ansprechend in der Wohnung präsentieren konnte. Vielleicht sollte ich als Touristiker anfangen, Touristinnen zu sammeln. Allerdings brauche ich dafür keinen Setzkasten.
Nach diesem Spruch sollte manch Manager handeln, bevor Aufträge über neue Organisationen erteilt werden oder nicht zu erfüllende Pläne aufgestellt werden. Wie gab kürzlich ein VW Manager zu: Wir haben angefangen zu manipulieren, als die Anforderungen vom Management legal nicht mehr zu erfüllen waren. Aber Hauptsache, wie heißt er doch gleich? Herr Sommerouzo, Herbstjubi, Frühlingsgrappa oder so, kriegt seine Millionen weiter, damit er auch im Winter seinen Korn hat.
Ich bin mir sicher, dass die Jungs noch viele weitere Geschichten auf Lager haben. Aber wie bereits oben erwähnt, nicht nur die Geschichten sind hörenswert und spaßig, auch der „Maschinenpark“ in diesen kleinen Räumlichkeiten ist beeindruckend.
Der einzige Wermutstropfen der mir eingefallen ist, ist der, dass das Museum keinen direkten Bezug zum alten Linden hat. Aber dafür ist es jetzt ein schöner Baustein im heutigen Linden. Ich hoffe, dass Euch meine Erzählungen dazu inspiriert haben, das Museum zu besuchen. Vielleicht unterstützt Ihr die ehrenamtlich arbeitenden Jungs und Mädels dann noch mit einer kleinen Spende, wir haben es getan. www.buchdruckmuseum-hannover.de
Auch freut man sich dort über kleine Druckaufträge, ich bin davon überzeugt, dass solche Initiativen wie dieses Museum unbedingt unterstützt werden sollten, schon alleine der netten Menschen wegen.
Zum Schluss möchte ich aber noch auf die großartigen Kommentare von Uli und Jupp eingehen
Bester Fischladen Hannovers: Ja, Heuers Fischladen war gut, sogar sehr gut. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir Produkte aus dem Laden bei einem Treffen in Algermissen kredenzt bekamen. Dank Kerstins Kochkunst natürlich sensationell.
Heuers Fischladen kam ganz dicht an Hampe ran, aber leider auch nur gaaaanz dicht. Der beste Fischladen hat überlebt, Hampel in Linden. Wenn die exzellente Köchin Kerstin diese Produkte in die Hand bekäme, ein weiterer Stern wäre ihr sicher.
Limmerstraße oder Podbi, welches ist die schönste Straße Hannovers: Uli, Deine Mutter hat Ahnung und sich deshalb auf die Seite der Lindener geschlagen. Ein dickes „danke schön“ an Frau Heuer, Glückwunsch für diese Entscheidung.
Jetzt auch noch Don Jupp, der Uli als Podbivertreter alleine dastehen lässt. Aber der Vorschlag von Jupp hat doch was. Uli, niemand möchte Dir Deine Kindheitserinnerungen nehmen, aber damit Du die schönste Straße Hannovers mal richtig kennenlernen kannst, ist ein Zug von Kneipe zu Kneipe eine Möglichkeit, Dich von der Schönheit zu überzeugen. Wir starten im Klimbim, äh, heute Glüxxkind, und schwelgen in alten Zeiten. Vielleicht hat der Lütsche ja auch Bock. Ich organisiere mal einen Termin.
Ach, ehe ich es vergesse: Uli, Kerstin ich liebe Linsensuppe.
und einen habe ich noch in eigener Sache
Der Redaktion von worldofdeti.de ist es gelungen verschollen geglaubte, nie veröffentlichte, einzigartige Dokumente legal in seinen Besitz zu bekommen. Diese Dokumente werden ab der nächsten Folge der großen Limmerstraßen Saga ganz oder teilweise veröffentlich. Die Welt wird Kopf stehen.