Der Westschnellweg Teil 1

Die mit * gekennzeichneten Bilder wurden mir freundlicherweise von Herrn Horst Bohne zur Verfügung gestellt, bei ihm liegen auch alle Bildrechte. Vielen Dank dafür. Alle anderen Bilder kommen aus meinem eigenen Fundus

Natürlich ist die Limmerstraße das Herzstück Lindens. Auf dieser Straße liegen Erinnerungen, liegen Emotionen, egal ob aus der Kindheit oder der jüngeren Vergangenheit mit den Helden der Limmerstraße. Es gibt aber noch eine weitere Straße von Bedeutung die Linden verbindet und die Linden begrenzt. Nein, es ist nicht die Quirrestraße, es ist der Westschnellweg. Der Westschnellweg ist nicht wirklich schön und hat auch keinen Charme oder Flair wie z.B. die Limmerstraße, aber trotzdem hängen Kindheitserinnerungen an den dieser Straße und seiner direkten Umgebung. Von einigen dieser Erinnerungen möchte ich im Rahmen des Quirrestraße 10 Blogs berichten, natürlich wieder gemischt mit historischen Informationen und bissigen Bemerkungen. Viel Spaß bei der Lektüre. 

Zuerst einmal die Fakten: Das der Westschnellweg ein Teil der B6 ist und am Deisterplatz beginnt, ist unstrittig. Aber dann fängt es auch schon an problematischer zu werden. Wo ist das andere Ende dieses Highways durch Linden? Einige sagen, nur der Teil bis zur heutigen Schwanenburgkreuzung ist der Westschnellweg. Andere denken, er geht bis zur Ausfahrt Herrenhäuser Straße, da der weitere Ausbau bis zur Stöckener Straße erst in einem späteren Bauabschnitt erfolgte. Eine weitere Quelle erwähnt, dass der Westschnellweg bis zur Autobahnauffahrt der A2 geht. Mein Favorit zum anderen Ende des Westschnellwegs, ist die Einmündung zur Stöckener Straße. Das würde aus meiner Sicht auch Sinn machen, denn die alte Streckenführung der B6 führte über die Stöckener Straße in Hannovers Innenstadt. Da der Westschnellweg zur Entlastung der Innenstadt gebaut wurde, ist dieses Ende für mich das richtige Ende. Da hier auch das Schild Schnellweg Endesteht, liege ich mit meiner Annahme wahrscheinlich richtig.

Mehr Informationen zur Planung von Hannovers Straßenplanungen etc. bekommt ihr in Teil 2 meiner Erzählungen zum Westschnellweg.

In einem anderen Beitrag habe ich dem Schnellweg mal den Namen „von Platen Highway“ gegeben, weil er mitten durch von Alten Garten verläuft, den sich von Platen damals unter den Nagel gerissen hatte. Ich finde, dass klingt viel besser als Westschnellweg, der Name Westschnellweg ist doch langweilig. Ich wundere mich bei der vorhandenen Schwindsucht in der Stadtkasse sowieso, dass solche Straßennamen nicht längst vermarktet werden. Am Namen West- oder Südschnellweg können doch nicht wirklich Sentimentalitäten hängen wir z.B. an der Lavesallee, Karl-Wiechert-Allee oder anderen Straßen, die berühmte und verdiente Namensgeber haben.

Wie wäre es mit Conti- oder VW-Schnellweg. Den Flughafenzubringer könnte man dann auch gerne TUI Piste nennen. So etwas wie VW-Diesel-Schnellweg verbietet sich in der heutigen Zeit selbstverständlich, obwohl ich einen solchen Vorschlag vom völlig neben der Spur fahrenden Großverdiener Matthias Müller erwarten würde. So etwas wie Empathie oder Selbsterkenntnis kennt dieser arrogant daher kommende Spitzenmanager nicht.

Ich bin mir auch sicher, dass die Messe AG keinen Cent für den Messeschnellweg bezahlt. Seit Jahren werden hier mögliche Einnahmen nicht wahrgenommen, kein Wunder, dass es nicht voran geht. Das ist nicht wirklich ernst gemeint, aber die Stadt braucht Gelder um z.B. den Tod der Innenstadt zu verhindern, doch dazu komme ich in einem anderen Kapitel.

Zurück zum Westschnellweg. Der Bau der 4-spurigen Straße, zwei in jede Richtung, begann 1950 und war Anfang der 60-iger Jahre noch nicht vollendet, sondern im vollen Gange. Ich habe also keine Erinnerungen an meine Heimat ohne den Damm. Der heute Westschnellweg ist und die markante Trennungslinie zwischen Linden und Limmer, zwischen Wohnblocks und dem grünen Fössefeld, bildet.

Während der Bauphase, spielte sich hier ein Ereignis ab, dass zu meinen ersten Kindheitserinnerungen überhaupt gehört.

westschnellweg 18 bohne 1961* Auf dem Damm, der noch keine Asphaltdecke hatte, gab es kleine Becken, gefüllt mit Wasser, leider mit schlammigem Schmutzwasser, das zum Baden nicht geeignet war. Nach Feierabend der Arbeiter krabbelten wir, die Kinder der Quirrestraße auf den Berg an der Liepmannstraße, natürlich war das verboten. Ich weiß es noch wie heute, ich war ausschließlich mit einer kurzen roten Latzhose bekleidet, ich sollte sie an diesem Tag letztmalig getragen haben. Wie kam es dazu?

Oben auf dem Damm fühlten wir uns als Qualitätsmanager, ein Begriff den damals nicht nur wir nicht kannten. Wir begutachteten also den Baufortschritt und prüften ob das alles im Rahmen der nicht vorhandenen Umweltvorgaben ablief. Gerade um Umweltvergehen auf die Spur zu kommen, inspizierten wir die Wasserbecken intensiv. Vorneweg natürlich Klein Deti. So stand ich am Beckenrand und ein kleiner Stoß genügte um mich komplett in die Schlammbrühe eintauchen zu lassen. Zum Glück war das Becken nicht tief, denn ansonsten hätte Schlimmeres passieren können.

 

1959 Deti mit HelmutSchlammüberzogen tauchte ich auf und kletterte als Schlammmonster aus dem Becken. Ich wankte mehr als das ich ging in Richtung Abstieg. Hinter mir grölte die Menge, ich verlor das Gleichgewicht und rollte den noch nicht bepflanzten Abhang hinunter. Das machte mich nicht wirklich ansehnlicher. Es trieb mich nach Hause in die Quirrestraße 10. Hinter mir das Geschrei und Gelächter der sogenannten Kumpels, vor mir das zu erwartende Donnerwetter von Mutti und Papa. Meine Gedanken überschlugen sich in ähnlicher Form, wie ich gerade den Abhang herunter gerollt war. „Wie spät ist es, ist Papa schon zu Hause? Die Bauarbeiter haben doch auch schon Feierabend. Aber Papa ist ein Arbeitstier und reisst eine Überstunde nach der anderen, vielleicht habe ich Glück“.

Zu Hause angekommen, klingelte ich Parterre bei Oma und Opa, mir war klar ich musste in die Wanne und oben in der 4. Etage hatten wir weder Wanne noch Dusche. Oma rief meine Mutter runter, dabei brauchte sie von Parterre bis in die 4. Etage kein Telefon. Bis Mutti unten war, war die Wanne schon fast vollgelaufen. Papa war noch nicht zu Hause.

Ohne ein weiteres Wort packte Mutti mich und setzte mich mit roter Latzhose ins Wasser. Was für eine Verschwendung, habe ich mir doch sonst immer mit Uwe das wöchentliche Badewasser geteilt. Das war in diesem Fall nicht möglich denn ich hatte gefühlt eine 5 cm dicke, getrocknete Schlammschicht angesetzt. In der Tat gab es nur 4 Stellen, die nicht mit Schlamm überzogen waren. Das waren die 2 strahlend blauen Augen, die Szene war wohl Ideengeber für die Szene in Bluesbrothers mit John Belusy. Die anderen schmutzfreien Stellen waren meine Handflächen. Ich habe heute keine Ahnung mehr, wie ich es geschafft habe meine Hände sauber zu kriegen, aber ich weiß, dass es heute noch so ist, ich komme aus dem Garten und alles ist dreckig, nur meine Handflächen sind unter Garantie sauber, ich kann Dreck auf den Handflächen und den Fingern einfach nicht leiden.

An eine wirkliche Strafe kann ich mich nicht erinnern, auch habe ich nicht mitbekommen, wie lange meine Oma brauchte das Bad zu säubern und die Rohre vom Schlamm zu befreien. Die kurze, rote Latzhose landete in der Tonne, was vielleicht das Erfreulichste an diesem Abenteuer war.

 

 

 

westschnellweg 1961 bohneHaeuserblock Foessestrasse webFür den Westschnellweg mussten auch Häuser weichen, z.B. wurde das Haus  Fössestraße 87 abgerissen, auf dem linken Bild von Horst Bohne ist es das linke von der querstehenden Häuserreihe, das abgerissen wurde.

 

 

 

 

Dieses untere Bild (links von Horst Bohne) zeigt die damals im Bau befindliche Abfahrt zur Fössestraße. Hier der Vergleich zu heute.

westschnellweg 02 bohne 1961Abfahrt Foessestrasse heute web

Auch zu dieser Abfahrt habe ich eine Kindheitserinnerung. Diese Erinnerung hängt mit unseren immer schönen Urlauben in Österreich zusammen, die wir regelmäßig mit den Eltern unternahmen. Jeder einzelne war schön und ein Erlebnis, nicht nur für uns, sondern auch für Mutti und Papa, die ihre 2 braven Jungs in diesen 2 bis 3 Wochen gemeinsam genießen konnten. Auf der Hinfahrt war noch alles in Ordnung, da erwartete uns am Ziel ja etwas Besonderes, wie z.B. der Moorsee in Söll. Aber natürlich auch die Zeit mit dem fußballverrückten Vater war für uns Jungs wertvoll. Ich weiß noch, wie wir das eine Jahr in Söll angekommen sind, nach der langen Fahrt, fast ohne Pause, wurde der Fußball rausgeholt und bevor das Zelt stand, war das erste Spiel schon erledigt. Ich weiß nicht mehr so ganz genau, wer der oder die Treiber dazu waren. Papa behauptet noch heute, dass wir Jungs es waren, aber so wirklich glauben kann ich das nicht.

Nach dem Spiel wurde das Zelt aufgebaut, nach getaner Arbeit setzten sich die 3 Männer dann vor das Zelt und warteten auf die Stärkung von Mutti.

3 Maenner vorm Zelt web

Aber ich schweife schon wieder ab, es geht doch heute um den Westschnellweg. Die Rückfahrt war wahnsinnig lang und wir verbrachten die Zeit mit „ich habe die Autonummer 999“ gesehen, also wurden besondere Autonummern gesucht. Natürlich wurde auch gesungen, wobei nicht alle die richtige Tonlage getroffen haben. Das letzte Spiel der langen Reise war dann immer, „ich habe unsere Straße als Erster gesehen“. Das war genau von der Abfahrt Fössestrasse möglich. Hat Spaß gemacht, auch wenn es meistens unentschieden ausging. Noch heute ertappe ich mich dabei, wenn ich die Abfahrt nehme, dass ich nach links schaue und „ich sehe die Quirrestraße“ in mich hinein schmunzele.

 

 

Unten der Blick heute, die Quirrestraße ist im Hintergrund zu erkennen. 

Blick auf die Foessestrasse web

Zum Abschluss von Teil 1 habe ich noch eine Frage, für dessen richtige Beantwortung es ein Pony gibt. Hannover und seine Straßennamen ist ja eine Geschichte für sich. Da gibt es Streit darüber, dass nach Persönlichkeiten, die wirklich oder angeblich mit den Nazis kooperiert haben Straßen benannt sind. Da streiten unsere Ratsherren und Ratsfrauen darüber, ob es in Hannover eine Helmut Schmidt Straße oder einen Helmut Schmidt Platz geben soll, weil es ja mal wieder ein Mann ist dem diese Ehre zuteilwerden soll. Das ist umstritten, weil im Rahmen, der für mich leidigen Genderdiskussion festgestellt wurde, dass es in Hannover zu wenig Straßen und Plätze gibt, die nach Frauen, Damen oder dem weiblichen Geschlecht allgemein benannt sind. Vielleicht ist mein Vorschlag von oben gar nicht so schlecht und man vermarktet die Straßennamen. Natürlich könnte man auch die Mannheimer Lösung nehmen, hier heißen die Straßen bzw. Straßenblöcke in der Innenstadt A1, A2 … B1, B2 …, C1, C2 … Wie ich finde keine wirklich tolle Lösung.