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4 Tage mit dem Fahrrad durch das Weserbergland
Tag 1: Pünktlich sind wir, Uli und ich, am Bahnsteig 3 und warten auf unseren IC, der uns um 8:01 Uhr nach Kassel bringen soll. Mit uns warten viele andere Bahnreisenden und ca. 10 bis 12 Personen mit Fahrrad und Gepäck auf den Zug. Bei 2 Minuten Aufenthalt, könnte das mit dem Einsteigen im Fahrradabteil eng werden. Aber alles kein Problem der Zug hat 35 Minuten Verspätung (Oberleitungsschaden). Gut die Wagenreihung ist nicht wie angekündigt, sondern umgekehrt. So kommt es zu bekannten Verschiebemanövern auf dem Bahnsteig. Rechts geht nach links und links nach rechts, alles vorbei an der Mitte, die im Kreuzweg stehen bleibt.
Neue Abfahrtzeit also 8:36 Uhr, wobei sich die zwischendurch auch mal in beide Richtungen ändert. Um 8:33 Uhr ergeht dann der Lautsprecherruf, dass unser IC auf Gleis 9 Uhr einfährt. Aktuell am Display angegeben Abfahrtzeit 8:48 Uhr. Also genug Zeit zum Bahnsteigwechsel, der mit vollgepackten Rädern allerdings sehr mühselig ist. Die meisten warten auf den Fahrstuhl mit der Kapazität von einem Fahrrad je Strecke. Wir tragen unsere Räder runter und auf den anderen Bahnsteig, den wir um 8:35 Uhr betreten, just in dem Moment, in dem der Zug einfährt. Wir also zum Fahrradwagen und sind mit die ersten, die ihre Räder verstauen. Andere kommen abgehetzt am Wagen an, an dem das Einpackchaos herrscht.
Warum schreibe ich das so ausführlich, bis hierher doch eine normale Geschichte der Deutschen Bahn. Aber heute setzten sie noch einen drauf. Natürlich konnten die Räder nicht in den 2 Minuten Aufenthalt eingeladen werden, noch dazu da einige Mitreisenden erst 2 bis 3 Minuten nach dem Zug auf dem Bahnsteig eingetroffen sind. Das passte dem Zugführer gar nicht und er verließ seine Lok, um seine Kunden mal so richtig zur Sau zu machen. Er moserte rum, warum das alles so lange dauert, wie solle er dabei seinen Fahrplan einhalten. Wir Reisenden schauten uns fassungslos an und fragten uns, ob der Oberleitungsschaden wirklich auf der Strecke war, oder sich im Kopf des Zugführers abgespielt hatte. Thank you for travelling Deutsche Bahn.
Aber alles nicht so schlimm, mit 40 Minuten Verspätung erreichten wir Kassel und wir starteten unsere Tour. Das größte Problem war es, den Einstieg in die Tour zu finden. Nach einigen Wirren fanden wir ihn und fuhren so den Fuldaradweg in Richtung Hann.Münden. Der Radweg ist sehr gut ausgebaut und schön zu fahren. Steigungen sind nicht wirklich vorhanden, sodass wir nach gut 34 km Hann.Münden gegen 12:20 Uhr locker erreichen.
Eigentlich sollte Hann.Münden schon unser Tagesziel sein, Uli hatte sich schon auf ein paar gemütliche Biere in der schönen Altstadt gefreut. Da wir aber einen Tag vor Abfahrt festgestellt hatten, dass heute in vielen Bundesländern Feiertag ist, hatte ich gestern schon einmal nach einem Hotelzimmer geschaut. Viel war nicht mehr frei und die Preise waren auch nicht von schlechten Eltern. Also habe ich zwei Einzelzimmer im Gasthof Reinhardwald in Gewissenruh gebucht, nicht weit von Bad Karlshafen entfernt.
Hann.Münden war genau die Hälfte der heutigen Fahrstrecke. Nach einem Getränk, einem Snack und einem Eis, ging es weiter zum Kuss von Fulda und Werra. Wir fuhren auf der rechten Weserseite weiter, hinein ins Weserbergland. Allerdings nicht ohne einer Damengruppe bei der Vervollständigung des Weserspruchs zu helfen:
Wo Werra sich und Fulda küssen,
sie ihren Namen büßen müssen,
und hier entsteht aus diesem Kuss,
deutsch bis zum Meer der Weserfluss.
Der zweite Teil unserer Tagestour war zwar auch wieder gut 34 km lang, allerdings wesentlich anstrengender. Das lag viel an den teilweise anstrengenden Steigungen. An einem Berg sehnten wir ein E-Bike herbei, leider war keines verfügbar, was uns zum absteigen zwang. Der andere Grund waren die hitzigen Temperaturen, die den Schweiß aus den Poren trieb.
Auch dieser Teil der Strecke ist sehr gut ausgebaut und landschaftlich sehr schön. Es ist lange her, dass wir uns so auf ein frisch Gezapftes gefreut haben, denn auf den letzten Kilometern ist uns das Wasser ausgegangen, was sich am letzten Aufstieg zum Quartier besonders stark bemerkbar machte. Unseren Gasthof erreichten wir nach 69 km und einer reinen Fahrzeit von 4:02 Stunden.
Aber dann passierte das Unvorstellbare. In Gewissenruh, links der Weser, wo wirklich außer dem Gasthof nichts, aber wirklich nichts ist, hatte dieser am Donnerstag Ruhetag. Nix also mit einem frisch gezapften Pils. Gnädig wurden uns 4 Flaschen Krombacher gereicht, was immerhin den ersten Durst löschte. Aber was machen wir mit dem Abendessen? Die Wirtin ließ sich nicht erweichen, dabei hätten wir auf der wunderschönen Terrasse oberhalb der Weser guten Umsatz gemacht. Den ersten Gedanken, mit dem Fahrrad ins nächste Restaurant zu fahren, nach meinen 3 Wochen Griechenland, wäre das unglücklicherweise ein Grieche gewesen, ließen wir fallen. Wir riefen ein Taxi (17,20 € pro Strecke) nach Bad Karlshafen und aßen und tranken im Kaiser Wilhelm vorzüglich zu Abend. Wer in der Nähe ist, das Kaiser Wilhelm können wir empfehlen.
Das trifft eigentlich auch für unsere Unterkunft zu, nur nicht an einem Donnerstag. Wie bereits geschrieben, hat der Gasthof eine wunderschöne Terrasse, die Karte war einfach aber ausreichend. Sensationell der Preis, für das Einzelzimmer, einfach aber zweckmäßig, haben wir 31,-€ bezahlt. Das Frühstück, besser als die meisten in Griechenland, kostet ganze 4,-€. Soviel zum ersten Tag.
Uli, vielen Dank für die Karten
Tag 2: Nach einem gemütlichen Frühstück starten wir um 9:15 Uhr zur 2. Etappe. Das Wetter war optimal, bedeckt und größtenteils trocken. Nur einmal holten wir die Regenjacken raus, es hörte aber schon wieder auf zu regnen, als wir die Jacken anhatten.
Zur Route hatten wir entschieden, dass wir bis kurz hinter Bad Karlshafen auf der linken Weserseite zu bleiben und erst dann auf die schönere rechte Seite wechseln. Eine richtige Entscheidung, denn die Steigungen auf dem Radweg der B80 waren erträglich. Rechts der Weser soll es in diesem Abschnitt etwas hügliger sein, was man in unserem Alter ja nicht unbedingt haben muss, jedenfalls heute noch nicht.
Fürstenberg ließen wir rechts liegen, uns stand nicht der Sinn nach Porzellan. Der Weserradweg ist auch auf dieser Etappe sehr gut ausgebaut und für jedermann machbar. Früh erreichten wir Höxter, von dem wir uns einiges versprochen hatten. Doch außer ein paar Fachwerkhäusern haben wir in der Stadt nichts gefunden, was zum Verbleib einlud. Anders dagegen am Weserufer. Ein Kiosk mit gemütlichen Sitzgelegenheiten zog uns magisch an. Da wir den größten Teil der heutigen Etappe bereits geschafft hatten, erlaubten wir uns 2 Weizen, was unsere Stimmung noch weiter nach oben trieb.
Die letzten Kilometer bis zu unserem Etappenziel Holzminden waren schnell gemacht. Schloß Corvey ließen wir links liegen, uns stand nicht der Sinn nach Benediktinern. Doch dann schlug das Schicksal erbarmungslos zu. Irgendwie hatten wir die Orientierung verloren und so fuhren wir an der letzten Abzweigung vor unserem Quartier nach rechts und nicht nach links. Das Schicksal bestrafte uns hart, in der Hafenbar blieben wir hängen und kamen einfach nicht weg. So haben wir uns dort bei Burger und Currywurst gestärkt, natürlich unterstützt durch das Ergänzungsmittel Allersheimer vom Fass. Ein heftiger Regenschauer zwang uns praktisch zum längeren Verbleib, einfach nur schrecklich schön.
So fuhren wir erst viel später zu unserem Hotel Kiekenstein, die touristische Entdeckung unserer Tour. Wenn die Terrasse in Gewissenruh schon schön ist, ist die vom Kiekenstein fantastisch. Wir können dieses Hotel von der Qualität der Unterkunft, dem Service, dem Essen und dem Preis- Leistungsverhältnis wärmstens empfehlen. Wer eine zentrale Unterkunft für die Erkundung des Weserberglandes sucht, ist hier genauso gut aufgehoben, wie Tagesgäste auf der Durchreise. Der heutige Tag war von der Strecke her der harmloseste, für die 49,8 km benötigten 2:49 Stunden reine Fahrzeit, trotzdem stärkten wir uns im Hotel für den nächsten Tag.
Tag 3: Heute sollte es heftig werden, es ging quer durch das weserBERGland. Wir starteten früh um 8:45 Uhr bei gemäßigten Temperaturen und bedecktem Himmel in Richtung Polle. Schon nach 3 km, noch nicht wirklich warm, mussten wir absteigen. Die Anfahrt zur Bundesstraße hatte es in sich und man muss sich ja nicht unnötig quälen. Was sagt meine Frau immer wenn sie Radfahrer sieht, die sich den Berg hochquälen: „Selbst Schuld“. Daran musste ich denken, als ich dem Berg den Sieg überließ.
In Polle wurde dann genügend Wasser eingekauft und mit der Weserfähre ging es auf die andere Flussseite. Wir hatten uns für eine Route entschieden, die auf meiner Karte aus dem Jahre 1984 noch die harmloseste zu sein schien. Das Höhenprofil der Navistrecke schreckte uns zu sehr von der kürzesten Route ab. Anfangs ging auch alles gut, bis wir bei Reileifzen die Weser verließen. Schon die Strecke von der Weser zur Ortsmitte wurde für mich zum Desaster und der nächste Berg hatte mich bezwungen und so schob ich mein Fahrrad die letzten Meter hoch.
Lt. Karte liegen die Nachbarorte Reileifzen, Lütgenade und Golmbach jeweils auf 140 bzw. letzterer 130 Meter hoch, was sollte da passieren. Dass dazwischen 2 Schweineberge liegen, die auf der Karte so nicht vermerkt sind, konnte keiner ahnen. Wie uns Jupp später erklärte, ist das auch eine beliebte Motorradstrecke, danke schön. Was haben wir geackert, aber letztlich haben wir beide Berge besiegt und standen stolz, aber kaputt auf der Anhöhe. Es Gipfel zu nennen würde über das Ziel hinausschießen. Es ging weiter bergig zu und nach jeder Abfahrt kam ein Anstieg. Aber alles war jetzt machbar.
Nach dem knapp 5 km langen, gemäßigten Anstieg von Negenborn nach Stadtoldendorf machten wir eine Eispause, die hatten wir uns redlich verdient. Stadtoldendorf macht den Eindruck einer aussterbenden Stadt. Samstagvormittag und nichts los. Geschäfte stehen genauso leer wie Wohnhäuser. Bedrückend, so etwas zu sehen.
Auf der Weiterfahrt bekamen wir dann überraschend Besuch von einem Einheimischen. Im Gegensatz zu den heute hier noch lebenden Menschen ein wohlgenährter Herr mit wenig Haaren. Direkt aus Eschershausen kommend traf er uns in Lüthorst. Ein gemütlicher Plausch, leider ohne flüssige Stärkung, dann ging es weiter. Jupp, toll, dass Du da warst.
Jetzt mussten wir uns entscheiden, ein letzter Berg oder eine befahrene Bundesstraße. Eine Dorfbewohnerin warnte uns eindringlich vor den Strapazen des Anstiegs. Andere dagegen sagten: „das ist doch nichts, für Jungs wie euch“. Geschmeichelt ließen wir uns auf das Abenteuer letzter Berg ein. In der Tat war es nichts gegen das, was bereits hinter uns lag, letztendlich sind wir das Ding sogar im Spurt angegangen.
Jetzt ging es bis Einbeck bergab. Leider lag unser Hotel Panorama aber in der Nordstadt und die Nordstadt von Einbeck liegt ein wenig höher als die Stadtmitte. Da wir von der Stadtmitte her kamen, könnt ihr euch vorstellen, wie die Tour zu Ende ging. Nach 53,2 km und 3:14 Stunden effektive Fahrzeit waren wir fluchend und schwitzend angekommen. Um uns den Flüssigkeitshaushalt wieder auszugleichen, gab es schnell zwei echte Einbecker Brauherren Pils und schon war der Berg Geschichte. Außerdem war die Aussicht da, morgen mit einer Fahrt bergab zu starten.
Den Nachmittag verbrachten wir auf dem historischen Marktplatz von Einbeck. Auch hier sieht alles nach Landflucht aus. Läden in 1a Lage stehen leer oder sind von Billiganbietern belegt. Dabei ist die Altstadt wirklich sehenswert und Einbeck hat auch einen guten Ruf als Bierstadt, da müsste sich doch touristisch mehr machen lassen.
Abends noch ein paar Absacker bei netten Gesprächen mit dem sehr zuvorkommenden Personal in der Hotelbar. Das Hotel ist, wenn man harte Fakten bei der Bewertung zu Grunde legt sicherlich das beste auf unserer Tour, aber die Lage ist wirklich schlecht, sodass wir die anderen beiden Unterkünfte besser bewerten würden.
Tag 4: Um 8:35 Uhr starten wir zur letzten und längsten Etappe. Es war noch ein wenig frisch und der Nebel hing tief über der Erde. Wir waren jetzt auf dem Leine Radwanderweg, der landschaftlich auch sehr schön und empfehlenswert ist. Leider stellte sich im Laufe der Tour heraus, dass er lange nicht so gut ausgebaut ist, wie der Weser Radwanderweg. Die Krönung dabei ist die Strecke vor Gronau. Hier fährt man ca. 5 km auf Splitt, was sehr kräftezerrend ist. Hier hat ein Controller der Region Hildesheim, der niemals auf einem Fahrrad saß, 1000,-€ gespart, als er die Entscheidung getroffen hat, diesen Weg nicht zu asphaltieren. Eine Entscheidung, die definitiv nicht im Kunden- bzw. Bürgerinteresse liegt. Aber was hat ein Controller auch mit Kunden oder Bürgern am Hut, Hauptsache die selbst manipulierten Zahlen stimmen.
Ansonsten zog sich die Strecke ganz schön hin und man merkte gegen Ende doch einen gewissen Substanzverlust. Unser ursprüngliches Ziel war es, um 15 Uhr in Algermissen zu sein. Das toppten wir deutlich, um 14:02 Uhr, nach genau 78 km erreichten wir Ulis Home, wo uns unsere Mädels erwarteten. Neben dem Gegrillten sorgten wir uns auch noch um die Strände an Nord- und Ostsee, indem wir das ein oder andere Flens verköstigten.
Fazit: Insgesamt haben wir bei gutem Wetter genau 250 km zurückgelegt. Landschaftlich hat es sehr gut gefallen, mit dem Fahrrad durch die Natur zu fahren ist immer ein schönes Erlebnis. Wenn es dann noch gepaart ist mit gemütlichen Abenden bei gutem Essen und Gerstensaft, ist so etwas ein richtiges Highlight.
Wenn der gesamte Weserradweg so gut ausgebaut ist, wie der erste Teil, ist eine Tour von Hann. Münden zur Nordsee ein anzustrebendes Ziel. Der Leine Radweg dagegen fällt ein wenig ab, die Natur ist zwar auch hier schön, aber die Qualität der Strecke, damit meine ich Belag, Streckenführung und auch Ausschilderung, ist an einigen Stellen stark verbesserungswürdig.
In den nächsten Tagen werde ich noch den genauen Streckenverlauf einstellen, bis dahin möchte ich mich bei Euch für Euer Interesse bedanken.