Ein Tagesausflug nach Bremerhaven

Bremerhaven ist nicht unbedingt der Ort, der auf den Favoritenlisten vieler Ausflügler steht. Dabei hat die Stadt was zu bieten. Damit meine ich nicht die aktuelle Arbeitslosenquote von 16,3%, die die alleinige Spitze in Deutschland darstellt.

Ich meine eher das Klimahaus und das Auswandererhaus. Beide Häuser hatten wir bereits vor einigen Jahren besucht und uns begeistert. Bei der Suche nach einem passenden Weihnachtsgeschenk für meine Eltern, kam uns dieser Besuch wieder in den Sinn und so schenkten wir Ihnen einen gemeinsamen Tag in Bremerhaven. Sie konnten sich für ein Haus entscheiden, denn beide an einem Tag wären nicht nur für unsere fitten Senioren zu viel des Guten gewesen. Also ging es am Rosenmontag im Februar 16 los. Beide konnten im Vorfeld nicht wirklich was mit den Unterlagen der Häuser anfangen bzw. hatten keine Vorstellungen von dem was sie erwartet. Aber vom Aussiedlerhaus fühlten sie sich mehr angesprochen, also entschieden wir uns für eine Reise in die Vergangenheit.

Nach einer Fahrzeit von 1 Stunde und 45 Minuten erreichten wir unser Ziel. Der gebührenpflichtige Parkplatz war schon gut gefüllt, obwohl wir nur 15 Minuten nach der Öffnung des "Museums" vor Ort waren. Blöd, dass nicht beim Verlassen des ungepflasterten Parkplatzes bezahlt werden kann, sondern im Vorfeld festgelegt werden muss, wie lange der Besuch dauern wird. Da der Apparat auch keine Scheine oder gar Karten akzeptiert, sind das kleinere und unnötige Ärgernisse.

Bei stürmischen Winden gingen wir die letzten paar Meter zum Auswanderermuseum. 

Bremerhaven 6337 webFür einen Montagvormittag war überraschenderweise einiges los. Neben einer Schulklasse standen noch etliche andere Besucher an der Kasse. Gerne bezahlte ich das Eintrittsgeld von 13,80 € p.P., bzw. die ermäßigten 13,20 € für unsere Rentner. Ja, nur 2 Rentner, denn bekanntlich bin ich noch nicht im Ruhestand sondern genieße den passiven Teil meiner Altersteilzeit.

Die Preisgestaltung empfinde ich ein wenig undurchsichtig und könnte einfacher gestaltet werden. Vielleicht nicht so verwirrend wie das bei meinen Freunden den Airlinern der Fall ist, aber doch nicht wirklich gut. Die Höhe Des Eintritts für Erwachsene empfinde ok, ich würde sogar 2 € bis 3 € mehr akzeptieren. Die ermäßigten Preise empfinde ich dagegen als nicht wirklich attraktiv. Auch fehlt mir ein Kombiticket mit dem Klimahaus über 2 Tage, damit hätte man sicherlich bessere Argumente für eine Übernachtung in Bremerhaven.   

 

Erwachsene 13,80 EUR
Ermäßigt (Rentner, Senioren) 13,20 EUR
Ermäßigt (Schüler, Studenten, Auszubildende, Arbeitslose, Behinderte) 11,80 EUR
Kinder (5 – 16 Jahre): 8,80 EUR
Single Mom / Single Dad (1 Erwachsener & eigene Kinder 5 – 16 Jahre) 25,00 EUR
Familien (2 Erwachsene, Kinder 5 – 16 Jahre): 38,00 EUR
Fotoschutzgebühr* 1,50 EUR

Nachdem die Eintrittsgelder bezahlt waren, geht es endlich los. Schon im Nachbau der damaligen Wartehalle, dem Empfangsraum der Ausstellung, zeigen sich meine Eltern interessiert. Dann in der Halle des Abschieds merkt man deutlich wie sich beide in „ihre Zeit“ zurückversetzt haben. „Schau mal Deti, so einen Mantel hatte Oma auch, Du aber nicht Helga, oder?“ „Doch auch ich hatte einen solchen Mantel mit Perserkragen, nur in braun.“ Gut, heute nicht mehr wirklich angesagt, aber für beide war der Mantel der Auswanderin der erste Erinnerungsanker an eine lange zurückliegende Zeit. 

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Der Mantel der Dame in der Mitte hatte es meinen Eltern angetan

Die ersten Erklärungen wurden verarbeitet und uns wurde deutlich wie schwer es damals war. Die Szenerie ist wirklich gut dargestellt und mit den individuell abzuhörenden Erklärungen können auch wir uns gut vorstellen, wie es damals war und was ein solcher Abschied zur Fahrt in die neue Welt bedeutete. Was heute ein kurzer Trip zum Weihnachtsshopping nach New York ist, war damals halt der Start in eine neue, ungewisse Zukunft ohne Rückfahrschein. Die einfache Fahrt in der 3. Klasse war für viele der Auswanderer schon das Maximum der möglichen Investition in die eigene Zukunft.

Im nächsten Raum kam die am Eingang überreichte Magnetkarte zum Einsatz. Diese Karte startet die Geschichte eines Auswanderers/Auswanderin. Jeder von uns hatte eine andere Person, die zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedliche Länder und aus unterschiedlichen Gründen ausgewandert ist. So hat man in der Gruppe nach jeder Station die Möglichkeit sich auszutauschen, gut gemacht. Mein Auswanderer war Lebin Weckesser, der noch im Mutterleib schwimmend nach Buenos Aires ausgewandert wurde. Erst im Jahr 2007 kam er erstmals mit seiner Familie nach Bremerhaven.  

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An solchen Stationen bekommt man Informationen zu „seinem“ Auswanderer

Zusätzlich gibt es in diesem Raum, der einem riesigen Archiv nachempfunden ist, die Möglichkeit, sich über die einzelnen Auswanderperioden zu informieren (siehe Bild unten). Für geschichtsinteressierte lohnenswert, da hier Details vermittelt werden, die über das normale Allgemeinwissen hinausgehen. Angereichert durch die persönlichen Erlebnisse von Mutti und Papa, war es für auch für uns noch viel interessanter als bei unserem ersten Besuch. Allein in diesem Raum kann sich der interessierte Besucher gut und  gerne eine volle Stunde aufhalten.     

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Weiter geht es direkt auf das Schiff bzw. auf die Schiffe. Natürlich nicht ohne allgemeine Erläuterungen zur Situation für die damalige Zeit. Mutti war sichtlich bewegt und hat uns Geschichten Ihrer Eltern erzählt. Auch Vaddern war in sich versunken. Spätestens hier konnten wir den Ausflug als Erfolg verbuchen.

Bremerhaven 6348 webDie Besichtigung der nachgebauten Lagerstätten, heute sagt man Kabinen, der Segel- und Dampfschiffe ist ernüchternd. Meinen Erzeugern merkte man deutlich an, dass sie sich nicht mehr im aktuellen Jahrhundert befanden und die eine oder andere Episode aus ihrem eigenen Leben vor ihren Augen ablief. Aber nicht nur für die Generation meiner Eltern ist dieser Part interessant, auch wir waren trotz Wiederholung beeindruckt. 8 Menschen in einem Bett oder 12 Menschen in einer Kabine, in Bettgestellen die für Menschen meines Körperumfangs definitiv ungeeignet sind. Heute für unsere Luxusgesellschaft kaum vorstellbar, dass das früher so war und auch noch heute in vielen Teilen der Welt so ist. Ja, das stimmt einen schon nachdenklich.

Leider unscharf, aber Mutti ist natürlich scharf auf die Informationen zur Überfahrt mit dem Segelschiff. In einer solchen Koje schliefen und lebten bis zu 8 Personen.

 

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Auch der Speisesaal, ich bin mir nicht mehr sicher, ob es der Speisesaal der ersten oder zweiten Klasse ist, stellte die damaligen Bedingungen gut dar. 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bremerhaven 6350 webIn einem weiteren Raum ging es weiter mit der Geschichte des Auswanderers bzw. der Auswanderin, der/die uns zugewiesen war. Danach war für uns der richtige Moment gekommen, im Restaurant "Speisesaal", das in das Eingangsforum des Hauses integriert ist, eine Stärkung zu uns zu nehmen. Die Currywurst war für Mutti und uns die erste Wahl. Unser Suppenkönig ließ sich die gute Kartoffelsuppe natürlich nicht entgehen. Mein Tipp ist allerdings das am Nebentisch servierte Krabbenbaguette, sah sehr appetitlich aus.

Das auf dem Foto erkennbare Allinklusiveband, gilt hier leider nicht für die Verpflegung, sondern berechtigt nur zum Eintritt in die aktuelle Sonderausstellung "Plötzlich da".

Frisch gestärkt ging es weiter, direkt in einen Nachbau des Grand Central Terminals von New York. Hier gibt es Geschichten zum Bahnhof und die letzte Information über „unseren“ Auswanderer, auch wenn diese(r) niemals New York betreten hat.

Nach dem Bahnhof geht es direkt über in die 70-iger Jahre der Bundesrepublik Deutschland. Hier wird die Geschichte der Einwanderer nach Deutschland erzählt. An einem Kiosk erhalten wir Instruktionen für diesen Teil der Ausstellung. Die Szenerie ist dem Jahr 1973 nachgestellt, neben dem Kiosk gab es ein Reisebüro, einen Friseursalon, einen Trödelladen und ein Kino. Für mich besonders schön, dass die TUI mit dem alten Logo (Sternenkranz) die Halle dominiert. 

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In diesen Räumen fühlten auch wir uns in die Jugendzeit versetzt, denn dass was hier erzählt und gezeigt wird, ist auch für uns irgendwie greifbar nah. Aber natürlich waren auch meine Eltern von der Ausstellung angetan, wobei man aber deutlich merkte, dass sie den ersten Teil der Ausstellung noch verarbeiteten.

Ich kann es nur schwer beschreiben, es waren schöne Gefühle, die uns überkamen. In Gedanken in der Vergangenheit zu versinken ist ja meistens schön, zumindest aber bewegend. Auch hier hatten wir jeder die Geschichte eines Einwanderers bekommen, der wir aber nur halbherzig nachgingen. Vielmehr ließen wir den Gesamteindruck der Halle auf uns wirken.

Auch die jüngere Generation kann hier noch viel lernen. Ratet mal, was das auf dem Bild unten ist?

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Richtige Antwort: ein Telefon

Den Abschluss dieses Teils der Ausstellung bildet ein Film über türkisch, deutsche Paare. Sehr emotional, die einzelnen Geschichten zeigen sehr gut auf, mit welchen Vorurteilen die Menschen damals und natürlich auch heute zu kämpfen hatten bzw. haben.

Für die aktuelle Flüchtlingsdiskussion sicherlich wertvoll, denn damals wie heute, darf man den Menschen im Rahmen der politischen Diskussion nicht vergessen. Die aktuelle Sonderausstellung „Plötzlich da“ zahlt auch auf das Thema Einwanderung ein. Wir waren nach 4 Stunden allerdings mit unserer Aufnahmefähigkeit am Ende und haben die Ausstellung eher oberflächlich durchlaufen. Auch die mögliche Ahnenforschung haben wir ausgelassen, denn nach gut 4 Stunden wollten wir zurück nach Hause.

Fazit: Touristisch könnte man hier mehr machen, Pakete mit dem Besuch des Auswanderungs- und Klimahauses mit Übernachtung, sind im Netz nicht, vielleicht auch nur schwer zu finden. Dabei glaube ich, dass beide Museen Einmaliges zu bieten haben und eine Reise mit Übernachtung wert sind. Auch der Hafen von Bremerhaven ist für viele interessant. Hier könnte noch der ein oder andere Arbeitsplatz geschaffen werden.

Angeboten werden auch 90-minütige Führungen, dass erscheint mir allerdings eher oberflächlich zu sein. Wir haben inklusive einer 45-minütigen Mittagspause, gut 4 Stunden gebraucht, die sollte man auch einplanen, länger geht immer.

Vielleicht ist für den einen oder anderen von Euch dieser Artikel ein lohnender Tipp für einen eigenen Ausflug. Vielleicht auch als Geschenk an Dritte, mit denen man einfach nur ein wenig Zeit gemeinsam verbringen möchte. Für uns hat es sich gelohnt und das „danke schön“ unserer rüstigen Mitreisenden setzte dem Ganzen die Krone auf.